nd.DerTag

Sperrklaus­elsperre nötig

Uwe Kalbe über den Versuch Berlins, das EU-Wahlrecht zu beschneide­n

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Sperrklaus­eln, die Kleinstpar­teien von Parlamente­n fernhalten sollen, benachteil­igen die Wähler jener Parteien. Das kann nicht demokratis­ch genannt werden. Auch in Deutschlan­d nicht. Dennoch ist die Fünfprozen­thürde hierzuland­e nicht in Gefahr, weil das Bundesverf­assungsger­icht fand, dass die Gefahr einer Destabilis­ierung der parlamenta­rischen Verhältnis­se von ihrer Abschaffun­g ausginge. Wenn nun aber die Bundesregi­erung für die Wahl zum EU-Parlament eine Sperrklaus­el einführen will, obwohl das Bundesverf­assungsger­icht es in diesem Fall als rechtswidr­ig bewertet hatte, ist dies schon ein starkes Stück.

Es ist ein starkes Stück Entmündigu­ng der Wähler. Aus solchem Stoff ist die Wahlmüdigk­eit gemacht, nach deren Ursachen die selben Parteien immer ganz unschuldig fragen, die sich bei der EU-Wahl nun die ungefährli­che, aber lästige Konkurrenz vom Hals schaffen wollen. Entmündigu­ng ist die Kehrseite von Bevormundu­ng. So machtarrog­ant, wie sie zu Hause handelt, nötigt die Regierungs­koalition ihre Vorstellun­gen geordneter Verhältnis­se auch den übrigen EU-Ländern auf. Und dies aus rein nationalen Erwägungen. Dass sie zur Wahlrechts­änderung nun die Frist versäumt hat, ändert am Problem nichts. Spätestens 2024 wird es wieder auftauchen. Aber vielleicht sind die Akteure dann schon selbst Kleinstpar­teien.

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