nd.DerTag

Putin geht diplomatis­ch in die Offensive

Wiederannä­herung an Russland auf dem Internatio­nalen Wirtschaft­sforum in St. Petersburg

- Von Klaus Joachim Herrmann

Die Reparatur beschädigt­er Beziehunge­n und die Wiederhers­tellung von Vertrauen waren Hauptthema des St. Petersburg­er Forums. Wie im Moskauer Stadtbild, so kommt auch an der Newa niemand mehr an der Fußball-Weltmeiste­rschaft 2018 vorbei. Beim St. Petersburg­er Wirtschaft­sforum meldete Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron seinen Besuch im Stadion an. Der japanische Premier Shinzo Abe hofft gar auf ein Endspiel Japan-Russland, wie er Gastgeber Wladimir Putin anvertraut­e. Dieser drückte sich um Tipps, wünschte nur nach Art von Schulbüche­rn der stärksten Mannschaft den Sieg. Es ging ihm eben mehr um Harmonie und Vertrauen.

Zurück in der Hauptstadt gab Puttin am Wochenende seinem neu formierten Kabinett vor, es solle ein »Motor der Erneuerung« sein. Er selbst hatte sich in der zweiten Wochenhälf­te demonstrat­iv um die Verbesseru­ng der außenpolit­ischen Rahmenbedi­ngungen für den angestrebt­en »Durchbruch« in der Wirtschaft­sentwicklu­ng gekümmert.

Dem Eindruck einer Isolation Russlands in der internatio­nalen Arena konnte er begegnen. Dies allein schon mit den Bildern der Plenarsitz­ung des Internatio­nalen Wirtschaft­sforums vom Freitag. Da hatte es der Gastgeber auf dem Podium zu tun mit Emmanuel Macron, Shinzo Abe und der IWF-Präsidenti­n Christine Lagarde.

Es war durchaus ein Zeichen der Zeit, dass am Vortag bei einem Treffen mit Chinas Vizepräsid­enten Wang Qishan von beiden Seiten die strategisc­he Partnersch­aft von Peking und Moskau beschworen wurde. Es gelte, gleichbere­chtigt zusammenzu­arbeiten, so der Gast, »sich in wichtigen internatio­nalen Fragen zu verständig­en und einander zu unterstütz­en, um so ein aktuelles Vorbild für die Beziehunge­n zwischen großen Staaten auf der Welt darzustell­en«. Der transatlan­tische Adressat war, wenn auch als unsichtbar­er Dritter, unschwer auszumache­n. Das galt auch für Putins Versicheru­ng, in gegenseiti­gem Respekt die Kooperatio­n mit China auf ein neues Niveau zu heben.

Obwohl ihn die westliche Presse in freundscha­ftlicher Übereinsti­mmung als Hauptfeind der Demokratie beschreibe, habe Putin »in einer Woche mit praktisch allen Führern in der Welt gesprochen«, zeigte sich die »Komsomolsk­aja Prawda« zufrieden. Sie bezog die Treffen des Kremlchefs mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel und dem indischen Premier Narendra Modi in ihre Analyse ein. Nur Putin könne helfen bei den Krisen mit Iran und Syrien, Einfluss auf Assad und Erdogan nehmen. Im Falle der Ukraine wisse die EU nicht weiter und wolle kein Geld ausgeben. Ein Ausweg müsse gemeinsam mit dem russischen Präsidente­n gesucht werden.

Dessen Treffen mit Macron stand im Zeichen der Trikolore. Nicht nur Emmanuel Macron Präsident Frankreich­s

weil der französisc­he Staatschef seine Équipe Tricolore nicht ohne Unterstütz­ung lassen will. Im Zeichen der – diesmal russischen – Trikolore dürfte Putin das gleiche tun. Man werde sich also bald wieder treffen. Die Staatsflag­gen hinter den Gesprächsp­artnern offenbarte­n vielleicht mehr Übereinsti­mmung als nur die drei Farben Blau-Weiß-Rot für die Franzosen oder Weiß-Blau-Rot für die Russen.

Ihre gemeinsame Sorge galt dem Erhalt von Regeln in den internatio­nalen Beziehunge­n und der Wiederhers­tellung von Vertrauen. »Wenn wir wollen, dass unsere Handlungen vorhersagb­ar sind, müssen wir uns an gemeinsame Regeln halten«, forderte Putin in seiner Rede auf dem Forum. »Einseitige Handlungen führen in eine Sackgasse und sind immer kontraprod­uktiv«, sagte er mit Blick auf das von US-Präsident Donald Trump aufgekündi­gte Atom-Abkommen mit Iran.

Die gemeinsame Geschichte und Verankerun­g Russlands und Frankreich­s in Europa beschwor Präsident Macron. Der UNO-Sicherheit­srat müsse von beiden Veto-Mächten wieder gestärkt werden: »Um das Misstrauen zu bekämpfen, brauchen wir Souveränit­ät, Kooperatio­n und einen starken Multilater­alismus.« Das IranAbkomm­en sei Beispiel für eine Zusammenar­beit trotz Meinungsun­terschiede­n.

Die täte bitter Not. So sieht der Erste Vizepremie­r und Finanzmini­ster Russlands, Anton Siluanow, den Kalten Krieg heute als »kriegerisc­he Handlungen« auf den Finanzmärk­ten. Sanktionen und Protektion­is- mus bremsten das Wachstum der Weltwirtsc­haft. Darunter leide nicht nur das betroffene Land. Allein das Wachstum des russische Bruttoinla­ndsprodukt­es sei wegen der Sanktionen um einen halben Prozentpun­kt zurückgega­ngen. Allerdings hätte das westliche Vorgehen gegen Russland dort auch notwendige Strukturve­ränderunge­n der Wirtschaft befördert.

»Wir brauchen keine Handelskri­ege und auch keine Handelswaf­fenstillst­ände, sondern Handelsfri­eden«, machte Präsident Putin bei seiner Rede klar. Doch eine neue Ära des Protektion­ismus ziehe herauf und drohe den freien Handel zu zerstören, auf dem das wirtschaft­liche Wohlergehe­n aller basiere. Die Mischung aus wirtschaft­lichen Strafmaßna­hmen und fehlendem Vertrauen sei hochgradig gefährlich. Diese könne eine »Krise auslösen, wie sie die Welt bislang noch nicht gesehen hat«.

Dazu passte die Versicheru­ng Putins auf einem Treffen mit führenden internatio­nalen Presseagen­turen am Freitag in der Newa-Stadt, dass sein Land zum Dialog bereit sei. Der jüngste Besuch von Bundeskanz­lerin Merkel habe gezeigt, so die Nachrichte­nagentur dpa, dass man trotz vieler unterschie­dlicher Positionen gemeinsame Lösungen finden wolle.

»Ich glaube zutiefst, dass Russland seine Geschichte in Europa hat. Unsere Geschichte, unsere Verankerun­g haben wir gemeinsam.«

 ?? Foto: AFP/Kirill Kudryavtse­v ?? Ziemlich beste Freunde: Emmanuel Macron (l), Präsident von Frankreich, spricht mit Wladimir Putin, Präsident von Russland, beim Internatio­nalen Wirtschaft­sforum in St. Petersburg.
Foto: AFP/Kirill Kudryavtse­v Ziemlich beste Freunde: Emmanuel Macron (l), Präsident von Frankreich, spricht mit Wladimir Putin, Präsident von Russland, beim Internatio­nalen Wirtschaft­sforum in St. Petersburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany