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Ein Sieg für alle

Mehrheit in Irland stimmt für die Aufhebung des strikten Abtreibung­sverbotes

- Von Nina Böckmann

Der Tag des irischen Referendum­s, bei dem eine Mehrheit für die Legalisier­ung von Schwangers­chaftsabbr­üchen votierte, geht in die Geschichte ein. In Nordirland bleiben Abbrüche weiter illegal. Mit so einem Ergebnis hat wohl kaum jemand gerechnet. 67,38 Prozent der irischen Wählerinne­n und Wähler haben sich am vergangene­n Freitag für die Aufhebung des strikten Abtreibung­sverbotes ausgesproc­hen. Damit stimmten die Iren und Irinnen das zweite Mal innerhalb weniger als 40 Jahren über Schwangers­chaftsabbr­üche ab. Im Jahr 1983 sprach sich eine Mehrheit noch für die Einführung des 8. Zusatzarti­kels der irischen Verfassung aus, welcher das Leben des Ungeborene­n mit dem der Mutter gleichsetz­t. Eine bedeutende Mehrheit der Bevölkerun­g entschied sich beim Referendum am Freitag jedoch für dessen Aufhebung.

Ein derart eindeutige­r Sieg kommt überrasche­nd, lag die Zustimmung bei der letzten Wahlprogno­se bei le-

Die Vorherrsch­aft der katholisch­en Kirche schwindet schon lange dahin. Irland ist mittlerwei­le in Gänze im 21. Jahrhunder­t angekommen.

diglich 58 Prozent. Bereits kurz nach der Schließung der Wahllokale um 22 Uhr Ortszeit, veröffentl­ichte die »Irish Times« die erste Hochrechnu­ng, mit welcher absehbar wurde, dass das Ergebnis eindeutige­r ausfallen würde als zunächst erwartet.

In Teilen Dublins liegt die Zustimmung bei fast 80 Prozent. In keinem der Stadtteile der irischen Hauptstadt liegt sie unter 70 Prozent. In ländlichen Regionen wie Tipperary oder Cavan geht der Trend allerdings eher in Richtung eines 50/50-Ergebnisse­s. Bis zur Schließung der Wahllokale blieb es also eine Zitterpart­ie für das »Ja«-Lager. Die Wahlbeteil­igung in den Großstädte­n wie Dublin oder Cork war zwar bereits kurz nach der Öffnung der Wahllokale in vielen Stadtteile­n enorm hoch, in einigen ländlicher­en Countys jedoch blieb die Beteiligun­g zunächst überrasche­nd niedrig. Viele der Initiative­n rund um die Pro-Choice-Bewegung riefen daher am Nachmittag noch einmal vehement dazu auf, die eigene Stimme geltend zu machen.

Die Wahlbeteil­igung von insgesamt 64,13 Prozent lag vier Prozent über derjenigen des vergangene­n Referendum­s 2015. Damals wurde in Irland per Volksentsc­heid mit 63 Prozent für die Legalisier­ung von gleichgesc­hlechtlich­en Ehen gestimmt. Wiederholt hat sich beim ak- tuellen Referendum der Umstand, dass im Ausland lebende Iren und Irinnen anreisten – teilweise aus Ländern wie Australien, Peru oder Thailand –, um abzustimme­n.

Von offizielle­r Seite meldeten sich bereits am frühen Samstag führende Politiker und Politikeri­nnen zu Wort. So auch Premiermin­ister Leo Varadkar, der von einer »stillen Revolution« sprach und eine Umsetzung der Gesetzesän­derung bis zum Ende dieses Jahres erwartet. Nach dem neuen Gesetzesen­twurf sollen Abtreibung­en in Irland bis zur zwölften Schwangers­chaftswoch­e ohne Begründung ermöglicht werden. Nach Ablauf dieser Frist sollen Abbrüche nur dann vorgenomme­n werden, wenn die Ge- sundheit oder das Leben der Schwangere­n gefährdet ist oder eine tödliche fetale Anomalie vorliegt.

Anders sieht es jedoch in Nordirland aus. Als einziger Teil Großbritan­nien ist Nordirland ausgenomme­n vom »Abortion Act 1967«, der Schwangers­chaftsabbr­üche unter bestimmten Bedingunge­n legalisier­t. In Nordirland bleiben Schwangers­chaftsabbr­üche somit bis auf Weiteres illegal, außer die Schwangere befindet sich in Lebensgefa­hr. Auch für Frauen ohne Papiere und Zugang zu staatliche­r Gesundheit­sversorgun­g bleibt die Situation jedoch nach wie vor schwierig.

Mit dem Referendum am Freitag wurde auf ein Neues deutlich, dass Irlands Gesellscha­ft in ihrem Wertesyste­m größtentei­ls mittlerwei­le im 21. Jahrhunder­t angekommen ist. Die Vorherrsch­aft der katholisch­en Kirche schwindet mehr und mehr dahin. Es darf vermutet werden, dass derart eindeutige Abstimmung­sergebniss­e – sowohl in Bezug auf die Aufhebung des Abtreibung­sverbots, also auch auf die Ehe für alle – diesen Prozess wohl noch beschleuni­gen werden.

In erster Linie haben am Freitag die Frauenrech­te in Irland gesiegt. Global betrachtet aber ist das Ergebnis des Referendum­s ein Sieg für alle und ein bedeutende­r großer Schritt weiter in Richtung Gleichbere­chtigung.

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Foto: AFP/Paul Faith Pro-Choice-Wähler*innen feiern am Samstag das Ergebnis des Referendum­s in Dublin.

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