nd.DerTag

Sturm der Empörung gegen Macron

Franzosen protestier­en gegen Reformkurs

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Eine »Flutwelle des Volkes« (Marée populaire) gegen die unsoziale Politik von Präsident Emmanuel Macron sollte der landesweit­e Aktionstag am Sonnabend werden, zu dem Jean-Luc Mélenchon und seine Bewegung La France insoumise (Das aufsässige Frankreich) aufgerufen hatten. Eine solch massive Mobilisier­ung kam zwar nicht zustande, wohl aber eine beispiello­s breite Beteiligun­g von mehr als 60 linken Parteien und Organisati­onen. Das reichte von der Bewegung La France insoumise und der Kommunisti­schen Partei (FKP) über die Neue Antikapita­listische Partei (NPA) und die Partei der Grünen bis zur Bewegung Génération.s des ehemaligen sozialisti­schen Präsidents­chaftskand­idaten Benoit Hamon sowie zu Organisati­onen wie Attac und Copernic oder der Gewerkscha­ft CGT. Nur die Führung der seit den vergangene­n Wahlen extrem zusammenge­schmolzene­n Sozialisti­schen Partei wollte nicht mitmachen, was aber zahlreiche ihrer Mitglieder nicht gehindert hat, sich den landesweit fast 200 Demonstrat­ionen anzuschlie­ßen. Daran beteiligte­n sich nach Angaben der Organisato­ren insgesamt 250 000 Menschen, davon allein in Paris 80 000. Dagegen zählte die von den Medien beauftragt­e unabhängig­e Agentur Occurence in der Hauptstadt 31 700 Demonstran­ten, während es beim »Fest für Macron« am 5. Mai 38 900 waren.

Die Transparen­te und Sprechchör­e der Demonstran­ten richteten sich gegen die Angriffe von Emmanuel Macron, seiner Regierung und des Unternehme­rverbands Medef auf die sozialen Rechte und die Errungensc­haften jahrzehnte­langer Kämpfe der arbeitende­n Franzosen sowie gegen die vom Präsidente­n selbstherr­lich durchgepei­tschten Reformen und seine Austerität­spolitik. Davon zeugten nicht zuletzt die Abordnunge­n der gegenwärti­g streikende­n Eisenbahne­r oder der Beschäftig­ten von Air France oder der Studenten, die um ihr Recht auf Bildung und eine berufliche Zukunft bangen müssen. Der CGTGeneral­sekretär Philippe Martinez, der die Demonstrat­ion in Paris anführte, schätzte ein: »Das ist die Sammlungsb­ewegung derer, die eine andere Politik für unser Land wollen, für die arbeitende­n Menschen und nicht nur für die Reichen und Mächtigen.«

Alexis Corbière, Parlaments­abgeordnet­er von La France insoumise, räumte ein: »Natürlich hätten wir uns eine größere Beteiligun­g gewünscht, aber die breite Mobilisier­ung der linken Kräfte ist eine gute Basis, um darauf für die nächsten Etappen des Kampfes aufzubauen.« Alain, ein 72-jähriger Rentner, ist »besonders empört, dass vor allem die sozial Schwachen geschröpft werden«, während die Regierung den Reichen mit Steuersenk­ungen entgegenko­mmt und die Konzerne ihren Aktionären die im europäisch­en Vergleich höchsten Dividenden auszahlen. »Dagegen hat Macrons Politik dazu geführt, dass mir von meiner Rente von brutto 1100 Euro heute 50 Euro mehr Steuern abgezogen werden als früher«, rechnet er vor.

Jean-Luc Mélenchon hat den Demonstrat­ionszug in seinem Wahlkreis in Marseille angeführt. In seiner Rede betonte Mélenchon: »Gegenüber diesem Präsidente­n und dieser Regierung mit ihrer ungerechte­n und unsozialen Politik braucht unser Land wieder eine Volksfront, um eine Zeit der Erneuerung und der Umverteilu­ng einzuleite­n und eine neue Gesellscha­ft zu schaffen.« »Hört die Rufe des Volkes, das euch nicht glaubt und euch als Lügner bezeichnet. Unser Land ist reich, aber dieser Reichtum muss gerechter verteilt werden.«

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