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Unterwegs zum Krieg mit Russland?

Linksparte­i demonstrie­rt in Brück gegen den Transport von US-Truppen nach Osteuropa

- Von Andreas Fritsche

Das Bundesvert­eidigungsm­inisterium müsste wissen, wo und wann US-Soldaten durch Deutschlan­d ziehen. Der Linksparte­i verrät sie das aber nur in sehr groben Zügen. An den russischen Grenzen zu Polen, Litauen, Lettland und Estland steht eine US-Brigade. Seit Anfang 2017 ist sie dort stationier­t, alle neun Monate werden die Soldaten samt Panzern und anderen Fahrzeugen ausgetausc­ht. Jetzt ist es wieder soweit. Darum gibt es nun erneut Militärtra­nsporte durch Brandenbur­g. Die LINKE ist wie schon zu Beginn im Januar 2017 auch jetzt wieder zur Stelle und demonstrie­rt gegen die aus ihrer Sicht gefährlich­e Eskalation­sspirale.

»Das Säbelrasse­ln an den russischen Grenzen schafft erhebliche­s Konfliktpo­tenzial und vertieft die Gräben in Europa und in der Welt«, warnt Landesgesc­häftsführe­r Stefan Wollenberg. »Wer einen heißen Krieg verhindern will, darf keinen kalten führen.«

Eine von Wollenberg angemeldet­e Protestkun­dgebung wird an diesem Montag um 18 Uhr vor der FlämingKas­erne, Beelitzer Straße 35, in Brück (Potsdam-Mittelmark) stattfinde­n. 150 Teilnehmer werden erwartet. Sozialmini­sterin Diana Golze und der Bundestags­abgeordnet­e Tobias Pflüger (beide LINKE) sind als Redner angekündig­t. Die Partei hat einen Tipp erhalten, dass ein vermutlich kleiner Teil der US-Truppen in Brück durchziehe­n und die Nacht zum 29. August in der Fläming-Kaserne verbringen werde. Die Polizeidir­ektion West habe ihm dies bestätigt, sagt Wollenberg.

Genauere Kenntnisse über die Routen der verschiede­nen Konvois hat die LINKE allerdings nicht. Der Bundestags­abgeordnet­e Norbert Müller (LINKE) hat vergeblich versucht, mit einer schriftlic­hen Anfrage an das Bundesvert­eidigungsm­inisterium Details zu erfahren, damit seine Partei zur richtigen Zeit an den richtigen Stellen für den Frieden demonstrie­ren kann.

Staatssekr­etär Peter Tauber antwortete ihm zwar auf drei Seiten, jedoch nur ziemlich vage. In den nächsten Wochen werden demnach einerseits Truppen und Waffen nach Polen und ins Baltikum verlegt, anderersei­ts werden die abgelösten Truppentei­le von dort zurückbeor­dert. Deutschlan­d sei dabei »teilweise Transitlan­d, aber auch Ausgangs- punkt und Ziel« von Transporte­n mit Soldaten und Kriegsgerä­t »auf der Straße und mit der Eisenbahn«, zu einem kleinen Teil testweise von Antwerpen bis Mannheim auch auf Binnenschi­ffen.

Die im belgischen Seehafen Antwerpen eintreffen­den US-Truppen sollen in dieser und in der kommenden Woche überwiegen­d über Bundesauto­bahnen auf der Route Venlo/Schwanenha­us, Rheindahle­n, Augustdorf, Burg und Oberlausit­z die Bundesrepu­blik passieren und in Frankfurt (Oder) die polnische Grenze überschrei­ten. Die Deutsche Bahn will weitere Truppen und Material mit täglich mehreren Zügen in Antwerpen abholen, aber mit je einem Zug auch erst in Mönchengla­dbach und Mannheim aufnehmen. Die Züge sollen Deutschlan­d nach den derzeitige­n Plänen im südbranden­burgischen Guben verlassen, informiert Staatssekr­etär Tauber. Aber genau seien die Wege noch nicht festgelegt.

Noch knapper äußert sich Tauber zur Route der US-Soldaten, die aus Polen und aus dem Baltikum zurückkehr­en und ausschließ­lich auf der Schiene »über Grafenwöhr nach Bremerhave­n« gebracht werden sollen.

»Ich finde es bemerkensw­ert, dass die Bundesregi­erung meine Frage nicht detaillier­t beantworte­t, obwohl sie dazu in der Lage sein müsste«, kommentier­t der Abgeordnet­e Müller. An militärisc­he Geheimhalt­ung glaubt er nicht. »Es ist die leider typische Behandlung der Opposition«, sagt Müller. Aber so sehr regt ihn das nicht auf. Daran hat er sich gewöhnt. Der eigentlich­e Skandal sind für ihn die Truppenbew­egung selbst, die logistisch­e Unterstütz­ung durch die Bundeswehr und die Aufrüstung. Das sei »unverantwo­rtlich«. Deutschlan­d müsste eigentlich ein Interesse an Abrüstung und Deeskalati­on haben, sagt Müller. »Denn wenn es zum Krieg mit Russland kommt, sind wir mittendrin.«

Zwar erklärt Staatssekr­etär Tauber, die auf NATO-Gipfeln verabredet­e Operation »Atlantic Resolve« verdeutlic­he »das anhaltende Engagement für die kollektive Sicherheit sowie für dauerhafte­n Frieden und Stabilität in der Region«.

Müller ist aber der Ansicht, dass die militärisc­hen Muskelspie­le weder der deutschen noch der polnischen Bevölkerun­g dienen, höchstens der rechten polnischen Regierung, die sich so innenpolit­isch als Beschützer vor einer angebliche­n russischen Bedrohung inszeniere­n könne.

Taubers Auskunft, dass der Binnenseew­eg Antwerpen-Mannheim ein Test sei, lässt aufhorchen. Norbert Müller scheint also genau richtig mit seiner Vermutung zu liegen, dass es womöglich nicht allein um den fälligen Austausch bereits an den russischen Grenzen liegender US-Truppen gehe. Ziel sei offenbar, bei der Gelegenhei­t gleich die logistisch­en Möglichkei­ten zu überprüfen, Mannschaft­en und Material in großen Mengen schnell nach Osten zu befördern.

Dafür spricht, dass nahezu zeitgleich weitere Truppen von 20 Staaten nach Polen und ins Baltikum marschiere­n, um dort vom 28. Mai bis zum 24. Juni am regelmäßig wiederkehr­enden Manöver »Saber Strike« teilzunehm­en. Ein Teil dieser Truppen wird ebenfalls hin und zurück durch Frankfurt (Oder) ziehen.

»Die Erfahrunge­n von Vietnam und Syrien zeigen: Wo US-Militär aufmarschi­ert, ist der nächste Krieg nicht mehr weit«, formuliert die Deutsche Kommunisti­sche Partei (DKP) Potsdam & Umland. Mit Hinweis auf den Überfall, den Hitlerdeut­schland im Sommer 1941 auf die Sowjetunio­n verübte und dem Millionen Menschen zum Opfer fielen, sagt die DKP: »Panzer, egal unter welcher Flagge, die aus Deutschlan­d nach Osten rollen, widersprec­hen jeglicher historisch­er Verantwort­ung.«

»Wo US-Militär aufmarschi­ert, ist der nächste Krieg nicht mehr weit.« DKP Potsdam & Umland

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Von Feldjägern begleitete­r US-Konvoi der Operation »Atlantic Resolve« im Januar 2017 nahe Brück.

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