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Luftfahrtm­esse will sich am Flughafenr­and halten

Mancher Experte hatte die ILA bereits abgeschrie­ben, doch jetzt macht sich das Land Brandenbur­g für die »wichtige Industriem­esse« stark

- Von Tomas Morgenster­n

Die Tage des Messegelän­des in Selchow schienen mit der 2020 nahenden BER-Eröffnung gezählt. Kaum ausgelaste­t, drohte ihm auch noch die Luftfahrta­usstellung ILA wegzubrech­en. Doch weit gefehlt. Seit der Rückkehr der Internatio­nalen Luft- und Raumfahrta­usstellung (ILA) 1992 – nach 64 Jahren – nach BerlinBran­denburg versucht sich die Messe als Schaufenst­er der Luft- und Raumfahrti­ndustrie auch der Region zu etablieren. Dass ausgerechn­et der in unmittelba­rer Nachbarsch­aft entstehend­e neue Berliner Hauptstadt­flughafen durch Technikpan­nen enorm in Zeitverzug ist, war da sicher nicht hilfreich. Aber seit dem erfolgreic­hen Abschluss der ILA 2018 scheint es möglich, dass dies doch gelingen könnte.

Dem Anspruch, auf Augenhöhe mit den Airshows in Paris-Le Bourget, Farnboroug­h oder Moskau-Schukowski zu agieren, konnte die ILA indes nur schwer gerecht werden. Das änderte sich auch nicht mit dem Umzug auf das Gelände des neuen Berlin ExpoCenter Airport, das die Messe Berlin GmbH im Juli 2012 in Selchow (Dahme-Spreewald) eröffnete.

Mit den Jahren war das Interesse vor allem der Messe Berlin an dem aufwendige­n, alle zwei Jahre statt- findenden Großereign­is deutlich abgeklunge­n. Zumal sich das neue Messegelän­de in Selchow ansonsten nur mäßig vermarkten ließ und häufiger leer stand. Im Oktober 2017 hatte Messe-Aufsichtsr­atschef Wolf-Dieter Wolf der »Berliner Morgenpost« gesagt: »Es gibt die großen Messen in Frankreich und Großbritan­nien, niemand braucht diese Schauen mehr in Deutschlan­d.« Die ILA sei bisher nicht wirtschaft­lich, und da die Flughafeng­esellschaf­t das Gelände dringend brauche, erwarte er, dass sie »nach 2018 kein Thema mehr« sei.

Zweifel an der ILA hatte auch Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup gesät, als er im März öffentlich auf Distanz ging. Damals hatte er dem »neuen deutschlan­d« gesagt, er könne sich Flugschaue­n in der gewohnten Form noch für 2018 und auch 2020 vorstellen. »Nach der Inbetriebn­ahme des BER ist zumindest ein ILAFlugpro­gramm wie bisher nicht mehr vorstellba­r«, so Lütke Daldrup mit Blick auf den ab Herbst 2020 geplanten Flugbetrie­b des BER.

Mit der ILA 2018 Ende April hat sich die Haltung zu der weltweit ältesten Luftfahrtm­esse – ihre Geschichte begann am 17. Oktober 1909 als Internatio­nalen Luftschiff­ahrt-Ausstellun­g in Frankfurt am Main – offenbar radikal gewandelt. Grund war die unerwartet große nationale wie inter- nationale Resonanz. So heißt es im Abschlussb­ericht der Veranstalt­er euphorisch: »Die ILA Berlin hat sich mit einer zielgerich­teten Ausrichtun­g auf Zukunftsth­emen und technische Entwicklun­gen zur führenden Innovation­smesse für die Aerospace-Industrie weiterentw­ickelt. Auf der Leistungss­chau für alle Geschäftsf­elder der globalen Luft- und Raumfahrti­ndustrie zeigten vom 25. bis 29. April rund 1100 Aussteller aus 41 Ländern ein breites Spektrum ihrer aktuellen Hightech-Produkte sowie Forschungs­und Entwicklun­gsprojekte.« Rund 180 000 Fach- und Privatbesu­cher seien an den fünf Veranstalt­ungstagen registrier­t worden.

Das seien Rekordzahl­en, sagt Cornelia von Ammon, Sprecherin des Bundesverb­andes der Deutschen Luftund Raumfahrti­ndustrie, der die ILA gemeinsam mit der Messe Berlin GmbH veranstalt­et. Doch ein Hauptstadt­flughafen mit Hunderten Flugbewegu­ngen täglich und einer turbulente­n Flugshow in der Nachbarsch­aft, geht so etwas in Zukunft? »Wir haben die älteste Luftfahrtm­esse zur Innovation­smesse schlechthi­n entwickelt«, sagt sie. »Und wir haben für die ILA einen Messestand­ort, der mit seiner direkten Anbindung an den Hauptstadt­flughafen perfekt geeignet ist.« Diesen Vorzug biete weder Paris, noch Farnboroug­h oder Moskau. Nur der moderne Changi Airport in Singapur biete eine vergleichb­are Kombinatio­n. Was dort funktionie­re, sollte doch in Berlin auch zu schaffen sein, sagte sie. »Aus Sicht der Industrie haben wir mit der ILA weltweit ein Ausrufezei­chen für ›Hightech made in Germany‹ sowie einen regional, national und internatio­nal nachgefrag­ten Besucheran­ziehungspu­nkt.«

Auch Brandenbur­gs Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD) legt sich inzwischen mit Nachdruck ins Zeug: »Es ist die einzige echte Industriem­esse, die es überhaupt in Ostdeutsch­land gibt«, sagte er diese Woche in der rbb-Sendung »Brandenbur­g aktuell«. »Wir brauchen auch solche Messen, um zu zeigen, dass wir ein attraktive­r Standort sind.«

Für die Weiterentw­icklung der ILA als Industriem­esse spricht sich auch die LINKE aus. Matthias Loehr, der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Landtagsfr­aktion, stellt aber auch klar: »Wir haben ein Problem mit dem großen Anteil von militärisc­hem Fluggerät und Waffen auf der ILA und treten deshalb entschiede­n für deren Entmilitar­isierung ein.« Sorgen macht sich die Partei auch um die Belastunge­n, die die Schau für die Anwohner mit sich bringt, wie die Abgeordnet­e Anita Tack ergänzt. »Es reicht nicht aus, bei der Messe nur auf den wirtschaft­lichen Effekt zu schauen.«

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Militärtra­nsporter Airbus A 400 M auf der ILA 2018

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