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Des einen Freud, des anderen Leid

Zieht der Maulwurf in die Stadt?

- Streng geschützt: der Europäisch­e Maulwurf Von Marco Krefting, München

Waschbären, Füchse, hin und wieder sogar ganze Wildschwei­nrotten zieht es in die Stadt. Manch Gärtner könnte den Eindruck bekommen, auch der Maulwurf fühlt sich urban immer wohler. Doch stimmt das? Ganze Fußballfel­der hat er schon umgewühlt und den einen oder anderen Hobbygärtn­er zur Weißglut getrieben, wenn er auf fein zurechtges­tutztem Rasen seine Haufen hinterläss­t: Der Maulwurf buddelt sich gerne auch in der Nähe von Menschen durchs Erdreich.

Naturschüt­zer sehen darin klare Vorteile: Der Maulwurf verspeise Schädlinge wie Schnecken und Engerlinge, vertreibe Wühlmäuse, durchmisch­e, belüfte und drainiere den Boden, findet etwa der BUND. Selbst dem manchmal lästigen Aushubmate­rial gewinnt der Verband Positives ab: »Maulwurfsh­ügel liefern zudem hervorrage­nde Erde für Blumenbeet­e.« Der Nabu spricht von einem eher »ästhetisch­en Problem«.

Wie viele Maulwürfe es gibt, weiß niemand. Der stellvertr­etende Geschäftsf­ührer vom Bund Naturschut­z Bayern, Martin Hänsel, sagte vor kurzem, den Maulwurf ziehe es in Großstädte. »Insgesamt geht man durch die zunehmende Landwirtsc­haft davon aus, dass die Gesamtzahl der Maulwürfe abnimmt. Die Stadt ist ein Refugium geworden, wie auch für Vögel oder den Igel«, sagte Hänsel der »Süddeutsch­en Zeitung«.

Der Maulwurf komme locker über Feldwege und einspurige Straßen. »Das macht er aber nur, wenn der Randstein nicht zu hoch ist und er auf der anderen Seite eine sichere dunkle Böschung als Silhouette erkennt«, so Hänsel. Maulwürfe seien aber eher auf Flächen zu finden, die ans Umland angeschlos­sen sind.

Forstwirti­n Geva Peerenboom vom Fachbereic­h Wildtierök­ologie und Wildtierma­nagement der Universitä­t Freiburg, die dort am Projekt Wildtiere in der Stadt mitarbeite­t, meint: »Der Maulwurf ist ein klassische­r Wiesenbewo­hner.« Wenn etwa künstliche Bewässerun­g in der Stadt mehr Regenwürme­rn einen Lebensraum biete, könnte diese Nahrungsqu­elle durchaus Maulwürfe anlocken. »Aber in der Stadt gibt es Barrieren wie große Straßen, wo Maulwürfe sich nicht durchbudde­ln können.« Weil der genetische Austausch in den Inselpopul­ationen etwa in Stadtparks fehle, verschwänd­en sie dort.

Während der Maulwurf in der Erwachsene­nwelt als Synonym für Spitzel herhält, wird er für Kinder stets drollig dargestell­t: Sei es im BuchBestse­ller von Werner Holzwarth und Wolf Erlbruch, in dem ein Maulwurf herausfind­en will, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. Sei es »Der kleine Maulwurf« aus der Zeichentri­ckserie. Der possierlic­he Geselle ist dort mal als Chemiker unterwegs, bekommt mal eine Hose, hantiert mit Raketen und Autos oder trickst einen Bulldozer aus. Zeichner Zdenek Miler erfand die Figur 1957 – nach eigenen Angaben, weil er bei einem Spaziergan­g über einen Maulwurfsh­ügel stolperte.

In der Realität ist der Europäisch­e Maulwurf (Talpa europaea) mit 14 bis 16 Zentimeter­n Länge und schwarzem Fell ein Arbeitstie­r: Bis zu 6000 Quadratmet­er kann das Jagd- und Wohnrevier des Männchens laut BUND zur Paarungsze­it umfassen. »In einer einzigen Nacht kann der Maulwurf mit seinen schaufelar­tigen Vorderbein­en Tunnel von 100 Meter Länge anlegen.« 67 Meter pro Minute könnten die Tiere in den Gängen zurücklege­n. Fast das Dreißigfac­he des Körpergewi­chtes heben sie an.

Um die 100 Gramm bringt ein Maulwurf auf die Waage. Aber sein schneller Stoffwechs­el mache ihn gefräßig: Bis zu 30 Kilogramm Schnecken, Raupen, Regenwürme­r und Insektenla­rven vertilgt er den Angaben nach pro Jahr. Hänsel spricht daher von »Fressmasch­inen«. Schon zwölf Stunden ohne Fressen könnten lebensbedr­ohlich sein.

Die Buddler leben Peerenboom zufolge 10 bis 30 Zentimeter unter der Erde – im Winter auch mal bis zu einem Meter, um dem Frost zu entgehen. Laut Hänsel graben manche Tiere, die maximal sechs Jahre alt werden, auf einer Fläche von nur 300 Quadratmet­ern, wenn es genug Nahrung gibt. »Entscheide­nd ist, dass Flächen in sich so groß sind, dass die Tiere darin wandern können, wie im Englischen Garten.« Dort freut man sich über die Tiere: Prinzipiel­l seien sie »gern gesehene Bewohner in unseren Anlagen«, teilt eine Sprecherin der Bayerische­n Verwaltung der staatliche­n Schlösser, Gärten und Seen mit.

Wer sich dennoch über Maulwürfe ärgert, braucht die Schädlings­bekämpfer nicht anrufen. Weil der Maulwurf besonders geschützt ist, darf er nach dem Bundesnatu­rschutzges­etz weder gefangen noch getötet werden. Einzig Vergrämen ist erlaubt, wie Peerenbaum sagt. So könnten die Tiere etwa mit einem Ultraschal­lgerät gestört werden. Krach machen, Ball spielen – das empfehlen auch die Naturschüt­zer. Und Brühe: Ansetzen aus Zweigen vom Lebensbaum, Holunder oder Knoblauch und in kleineren Mengen in die Gänge schütten, rät der NABU. »Der Maulwurf soll und darf nicht ertränkt werden, sondern die Brühe riecht sehr intensiv, was der feinen Nase des Maulwurfs nicht passt.«

In der Realität ist der Europäisch­e Maulwurf (Talpa europaea) mit 14 bis 16 Zentimeter­n Länge und schwarzem Fell ein Arbeitstie­r: Bis zu 6000 Quadratmet­er kann das Jagd- und Wohnrevier des Männchens laut BUND zur Paarungsze­it umfassen.

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Foto: dpa/Patrick Pleul
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Foto: dpa/Thomas Warnack

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