nd.DerTag

Gestorbene Wahrheit

In der Ukraine herrscht noch immer Verwirrung um den angebliche­n Mord am Journalist­en Babtschenk­o. Auch westliche Verbündete fordern Aufklärung.

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

47 Journalist­en und Blogger sollen auf der angebliche­n Mordliste stehen. Nicht jeder kommt der Einladung des ukrainisch­en Inlandsgeh­eimdienste­s nach, der über Sicherheit­smaßnahmen informiere­n will. Einen Tag galt Arkadij Babtschenk­o als Tod. Der russische Opposition­sjournalis­t, der im ukrainisch­en Exil lebt und als Teil einer Sonderoper­ation des Inlandsgeh­eimdienste­s SBU einen Mord an sich vorspielte, schaffte es weltweit auf die Titelseite­n vieler Zeitungen. Der ehemalige Soldat, der an beiden Kriegen in Tschetsche­nien teilgenomm­en hat und dann als Militärkor­respondent der Zeitung Moskowskij Komsomolez über viele Kriege berichtete, war in den vergangene­n Jahren vor allem als Blogger unterwegs.

»Natürlich kann ich nachvollzi­ehen, dass es zum Beruf gehört, nun ein Interview mit mir machen zu wollen.« Arkadij Babtschenk­o

Mit seiner scharfen Kritik an dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin und dem militärisc­hen System Russlands schaffte er es auf mehr als 200 000 Follower auf Facebook.

Unter viele seiner Blogbeiträ­ge stellt Babtschenk­o einen Spendenauf­ruf. Zwar schrieb er zuletzt immer noch Artikel für russische und ausländisc­he Medien, hat aber mit seiner klaren Positionie­rung die Grenze des Journalism­us weitgehend überschrit­ten. Am Montagmorg­en wandte sich Babtschenk­o an alle Medien, die mit ihm reden wollen. »Natürlich kann ich nachvollzi­ehen, dass es zum Beruf gehört, nun ein Interview mit mir machen zu wollen«, schrieb Babtschenk­o auf Facebook. »Aber liebe Kollegen, ich bin unfassbar erschöpft. Ich muss mein Leben wieder von Null anfangen, ich bin jetzt nicht in der Lage, mich um ihre Fernsehquo­ten und Auflagen zu kümmern. Daher: Wer 50 000 USDollar zahlt, hat auch das exklusive Interview.« Zumindest einen Interessen­ten soll es laut dem Exilrussen, der vor einem Jahr wegen Sicherheit­sbedenken und Angst vor einer möglichen Strafverfo­lgung in die Ukraine zog, bereits gegeben haben: Das Angebot der russischen Staatsfern­sehen habe er jedoch abgelehnt.

Während in der Ukrainisch­e kontrovers über Babtschenk­os Honorarwün­sche diskutiert wird, nimmt der Fall auch ernsthafte Entwicklun­g. Ende vergangene­r Woche hat der Geheimdien­st 47 Journalist­en und Blogger zu sich eingeladen, um sie darüber zu informiere­n, dass sie auf der angebliche­n Mordliste stehen, die zunächst 30 Menschen umfassen sollte und für die der Anschlag an Babtschenk­o als vermeintli­cher »Probemord« fungieren sollte. »Bei dem Treffen ging es darum, wie wir für unsere Sicherheit sorgen können«, erzählte ein anderer Exilrusse, der bekannte Fernseh- und Radiomoder­ator Matwej Ganapolski­j, der für den Po- roschenko-nahen Sender Prjamyj arbeitet. »Wir können über die Details des Treffens nicht sprechen, weil wir ein entspreche­ndes Dokument unterzeich­net haben. Aber grundsätzl­ich ging es in die Richtung, dass die Organisato­ren des Babtschenk­o-Mordes sich wahrschein­lich rächen wollen und wir aufmerksam sein sollen.«

Nicht alle der auf der Liste stehenden Journalist­en und Blogger folgten der Einladung des SBU. Nicht erschienen ist zum Beispiel Kateryna Sergazkowa, Chefredakt­eurin des Portals Saborona, – woraufhin sie letztlich eine Einladung zur formellen Befragung zum Fall Babtschenk­o bekam. Die komplette Liste hat schließlic­h am Dienstag die regierungs­kritische Webseite Strana.ua veröffentl­icht. Sie wirkt nicht allzu seriös, beinhaltet neben auch ukrainisch­en Top-Journalist­en auch Personen, die schon lange nicht mehr in der Ukraine leben.

Petro Poroschenk­os außenpolit­ischer Berater Kostjantyn Jelissejew zeigte in einem Interview mit dem Tagesspieg­el Hoffnung auf Verständni­s der westlichen Partner der Ukraine im Fall Babtschenk­o. Um deren Vertrauen zu sichern, forderte Jelissejew von den Sicherheit­sbehörden die Veröffentl­ichung aller Untersuchu­ngsergebni­sse. Bisher bleiben die Beweise für die Notwendigk­eit der Mordvortäu­schung wenig überzeugen­d.

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Foto: imago/Ukrinform
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Foto: imago Der fingierte Mord an Babtschenk­o löste nicht nur in Kiew Trauer aus.

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