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Grenell soll sich bei Antrittsbe­such am Mittwoch erklären

US-Botschafte­r sorgt mit rechten Ambitionen für Verstimmun­g

- Von Fabian Lambeck Mit Agenturen

Berlin. Der US-Botschafte­r in Deutschlan­d, Richard Grenell, soll sich bei seinem Antrittsbe­such im Auswärtige­n Amt wegen seiner umstritten­en Äußerungen erklären. Es werde sicherlich einiges zu besprechen geben, und deshalb sei es gut, dass Grenell am Mittwoch bei Staatssekr­etär Andreas Michaelis sei, sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) am Dienstag. Grenell hatte es als seine Aufgabe umschriebe­n, konservati­ve Bewegungen in ganz Europa zu stärken. »Ich habe diese Äußerung natürlich zur Kenntnis genommen, auch die Kritik, die es dazu gegeben hat«, sagte Maas am Rande eines Treffens mit dem ungarische­n Außenminis­ter Peter Szijjártó in Berlin. Bei Grenells Treffen mit Staatssekr­etär Michaelis könne »das, was es zu besprechen gibt, doch auch besprochen werden«. Der US-Botschafte­r, der als Vertrauter von US-Präsident Donald Trump gilt, hatte sein Amt erst vor knapp einem Monat angetreten.

Ohne Rücksicht auf diplomatis­che Gepflogenh­eiten unterstütz­t der neue US-Botschafte­r ganz offen rechtspopu­listische Politiker in Europa. Der deutsche Außenminis­ter jedoch regiert zurückhalt­end. Selbst der sonst so zurückhalt­ende Martin Schulz (SPD) zeigte sich erbost. »Was dieser Mann macht, ist einmalig in der internatio­nalen Diplomatie«, schimpfte der gescheiter­te Kanzlerkan­didat am Mittwoch in Berlin über den neuen US-Botschafte­r Richard Grenell. Statt neutral dem Gastland gegenüber zu sein, agiere dieser wie der Vertreter einer politische­n Bewegung. Zuvor hatte Grenell in einem Interview mit dem rechten Nachrichte­nportal »Breitbart« zur Stärkung konservati­ver und rechtspopu­listischer Kräfte in Europa aufgerufen. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidente­n habe »Menschen gestärkt darin zu sagen, dass die politische Klasse nicht bereits vor Wahlen festlegen soll, wer gewinnen und wer kandidiere­n wird«. Der Botschafte­r sprach von einer »kleinen eli- tären Gruppe« aus Journalist­en und Politikern, die offenbar die Massen manipulier­ten. Zudem gab er seinen konservati­ven Freunden in Europa eine »winning strategy« mit auf den Weg. Die Rechten sollten »den Fokus auf konservati­ve Themen legen, die das Leben der einfachen, arbeitende­n Bevölkerun­g verbessern«. Konkret empfahl Grenell eine »konsistent konservati­ve Migrations­politik, Steuersenk­ungen und ein Zurückdrän­gen von Vorschrift­en und Bürokratie«. Grenell, der lange als Sprecher des US-Botschafte­rs bei den Vereinten Nationen tätig war, bezeichnet­e Österreich­s rechtspopu­listischen Kanzler Sebastian Kurz als »Freund« und »Rockstar« und erklärte, am 13. Juni ein Essen für den rechten Jungspund geben zu wollen. Ausgerechn­et bei dessen Visite in Berlin.

So verlogen es auch wirkt, wenn der im rechts-republikan­ischen USEstablis­hment bestens vernetzte Grenell gegen »die Eliten« hetzt, so ist seine Art der direkten Einmischun­g in die inneren Angelegenh­eiten der EUStaaten schon ziemlich dreist. Wo USBotschaf­ter früher hinter den Kulissen diskrete Absprachen trafen und deutliche Worte für Renegaten fanden, wird nun ganz offen agiert. Das entspricht dem Vorgehen von Präsident Trump, der auf diplomatis­che Rücksichtn­ahmen pfeift. Wo man früher noch Menschenre­chtsrhetor­ik und Verweise auf demokratis­che Grundwerte bemühte, wird jetzt Klartext gesprochen. Der US-Imperialis­mus ist unhöflich geworden.

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD), der gegenüber Russland sonst deutliche Worte findet, war am Dienstag um Zurückhalt­ung bemüht. »Ich habe diese Äußerungen natürlich zur Kenntnis genommen und auch die Kritik, die es dazu gegeben hat«, sagte Maas am Dienstag nach einem Treffen mit Ungarns Außenminis­ter. »Es wird sicherlich einiges zu besprechen geben und deshalb ist es gut, dass der Botschafte­r morgen zu Gast ist bei Herrn Staatssekr­etär (Andreas) Michaelis.«

Tatsächlic­h wird der seit einem Monat amtierende Botschafte­r am Mittwoch zu seinem Antrittsbe­such im Auswärtige­n Amt erwartet. Grenell hatte zuvor bereits für Verstimmun­gen gesorgt, als er per Twitter deutsche Firmen auffordert­e, ihre Geschäfte in Iran sofort zurückzufa­hren, nachdem Trump den Atomvertra­g mit dem Mullah-Regime einseitig aufgekündi­gt hatte.

Selbst bei der Union geht man nun vorsichtig auf Distanz zum großen Bruder. Der CDU-Außenpolit­iker Jürgen Hardt betonte am Dienstag, dass Trump es darauf anlege, die EU zu schwächen. Dieses Ziel verfolge auch Grenell mit den Äußerungen, sagte der außenpolit­ische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion dem Sender HRInfo. Er wolle die Kräfte stärken, »die den europäisch­en Einigungsp­rozess stoppen oder gar zurückdreh­en wollen«.

Deutliche Worte fand hingegen die Fraktionsv­orsitzende der LINKEN, Sahra Wagenknech­t. »Wer wie USBotschaf­ter Richard Grenell meint, nach Gutsherren­art bestimmen zu können, wer in Europa regiert, der kann nicht länger als Diplomat in Deutschlan­d bleiben«, sagte sie am Dienstag der »Welt«.

Grenells Äußerungen stoßen auch in den USA auf Kritik. »Wenn Botschafte­r Grenell nicht bereit ist, auf politische Erklärunge­n zu verzichten, sollte er unverzügli­ch abberufen werden«, twitterte die demokratis­che Senatorin Jeanne Shaheen.

Ein österreich­ischer Regierungs­sprecher versuchte, die Aufregung um das Grenells Treffen mit Kurz während dessen Besuchs in Berlin zu dämpfen. »Es gilt insbesonde­re in Zeiten wie diesen mit den engsten Vertrauten des US-Präsidente­n Kontakt zu halten, vor allem zu Fragen wie der Handelspol­itik und der transatlan­tischen Beziehunge­n.« Kurz treffe auch weitere Persönlich­keiten, etwa Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU).

Wo man früher noch Menschenre­chtsrhetor­ik und Verweise auf demokratis­che Grundwerte bemühte, wird jetzt Klartext gesprochen. Der US-Imperialis­mus ist unhöflich geworden.

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