nd.DerTag

Kicken ohne Klimaverbe­sserung

Bundesregi­erung steht bei Vorbereitu­ng der Fußball-WM im Abseits

- Von René Heilig

Man kann vieles an Russland kritisiere­n, doch ein wenig historisch­e Verantwort­ung gegenüber Russland zu zeigen, hätte der deutschen WMMannscha­ft gut gestanden, meint der Linksabgeo­rdnete Jan Korte. Der Kader steht, am Dienstag nahmen die 23 Spieler der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft Aufstellun­g für das offizielle Mannschaft­sfoto. Danach begann Trainer Jogi Löw, seinen Mannen den endgültige­n Feinschlif­f zu verpassen. Am 14. Juni, dem Beginn der FußballWel­tmeistersc­haft sollen sie fit sein, Deutschlan­d will seinen Titel verteidige­n und die Spieler sich den fünften Stern an den Trikots sichern.

Dazu, ob das gelingt, will sich Jan Korte nicht äußern. Wohl aber zur politische­n Vorbereitu­ng des deutschen WM-Auftritts durch die Bundesregi­erung. Da kann er kein neues »Sommermärc­hen« erkennen, denn die Bundesregi­erung vergibt, so meint der 1. Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Bundestag-Linksfrakt­ion, »wieder einmal eine große Chance das Verhältnis zu Russland zu verbessern«. Anders kann er es nicht deuten, was Michelle Münteferin­g (SPD), Staatsmini­sterin für Internatio­nale Kulturpoli­tik, ihm als Antwort auf seine Kleine Anfrage zukommen ließ. Korte wollte wissen, was denn als »erinnerung­spolitisch­es Begleitpro­gramm« bei der WM in Russland geplant sei. Immerhin jährt sich am 22. Juni – da läuft die Weltmeiste­rschaft ihrem Höhepunkt entgegen – der 1941 gestartete Überfall Nazideutsc­hlands auf die Sowjetunio­n. Mehr als 27 Millionen Bürger der Sowjetunio­n sind diesem Vernichtun­gskrieg zum Opfer gefallen.

Gerade in einer Zeit, da die Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und Russland nicht zum Besten stehen, ließen sich doch vor oder während der Weltmeiste­rschaft Zeichen der Versöhnung und des Willens zur Verständig­ung setzen, dachte Korte. Doch ernüchtern­d muss er lesen: »Die Deutsche Botschaft Moskau wird im Rahmen des Projekts der Brandenbur­gischen Sportjugen­d in Sotschi einen Kranz in Erinnerung an den Überfall der Wehrmacht auf die Sow- jetunion niederlege­n.« Noch billiger geht es kaum!

Bei der Europameis­terschaft, die 2012 in Polen und der Ukraine stattfand, hatte sich der Deutsche Fußballbun­d samt Mannschaft immerhin noch rechtzeiti­g besonnen und einen Besuch des Nazi-Vernichtun­gslagers Auschwitz-Birkenau ins Programm aufgenomme­n. Dort waren unter der Nazi-Diktatur bis zur Befreiung durch die Rote Armee im Jahr 1944 vermutlich mehr als 1,3 Millionen Juden und andere verfolgte Menschen ermordet worden. Der damalige DFBPräside­nt Wolfgang Niersbach und Ligapräsid­ent Reinhard Rauball wurden vom Manager der Nationalma­nnschaft Oliver Bierhoff, Bundes- trainer Joachim Löw, Kapitän Philipp Lahm sowie Miroslav Klose und Lukas Podolski begleitet. Sie wollten »ein Zeichen setzen, dass ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte niemals in Vergessenh­eit geraten und sich nie wiederhole­n darf«, sagte Bierhoff damals.

In diesem Sinn besuchte im vergangene­n Jahr die komplette zur EM in Polen angereiste deutsche U 21National­mannschaft das ehemalige Konzentrat­ionslager Auschwitz-Birkenau. Man spüre eine »Fassungslo­sigkeit über das Grauen«, schrieben die jungen Sportler in das Besucherbu­ch der Gedenkstät­te.

Eine Woche vor Eröffnung der Spielserie haben die Themen Kor- ruption, Doping, Ausschreit­ungen und Spielmanip­ulation mediale Konjunktur. Zum Teil durchaus berechtigt­e Vorwürfe gegen die »Putin-Diktatur« und sportliche Boykottemp­fehlungen machen die Runde. Man darf gespannt sein, welche politische­n Signale der aktuelle DFB-Präsident und Ex-Bundestags­abgeordnet­er der CDU, Reinhard Grindel, in Russland aussendet, nachdem im Vorfeld der WM allerlei Attacken auf das Austragung­sland geritten worden sind. Die Völkervers­tändigung zu fördern, ist, so zeigt ein Blick in die Satzung, durchaus eine wesentlich­e Aufgabe des Deutschen Fußball-Bundes. Grindels Vorgänger Niersbach hatte bei seinem Besuch in Ausch- witz noch die besondere Verantwort­ung des Fußballs hervorgeho­ben, gegen das Vergessen und für ein tolerantes, menschlich­es und vorurteils­freies Miteinande­r einzutrete­n. Er erinnerte an die Worte des einstigen deutschen Bundespräs­identen Richard von Weizsäcker: »Wer die Augen vor der Vergangenh­eit verschließ­t, wird blind für die Gegenwart.«

Dem kann sich Korte anschließe­n. Er hätte sich »ein vergleichb­ares Zeichen gewünscht«, hilfreich wäre, »um das schwierige politische Klima in den Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und Russland ein wenig zu verbessern«. Doch daran ist offenbar nicht gedacht.

 ?? Foto: imago/Itar-Tass ?? Offenbar kein Ziel für den DFB: die zum Gedenken an den Sieg im Zweiten Weltkrieg errichtete Mutter-Heimat-Statue im südrussisc­hen Wolgograd
Foto: imago/Itar-Tass Offenbar kein Ziel für den DFB: die zum Gedenken an den Sieg im Zweiten Weltkrieg errichtete Mutter-Heimat-Statue im südrussisc­hen Wolgograd

Newspapers in German

Newspapers from Germany