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Nur deutsche Rentner sollen sicher sein

In der AfD herrscht völlige Uneinigkei­t über das künftige Rentenkonz­ept der Partei

- Von Robert D. Meyer

Lange Zeit machte die AfD einen weiten Bogen um sozialpoli­tische Konzepte – zu unterschie­dlich sind die Vorstellun­gen. Doch der völkische Flügel will die Partei zu einer Richtungse­ntscheidun­g drängen. Es ist definitiv kein Schnellsch­uss, den die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag da vorgelegt hat. Ein 51-seitiger Prospekt, vollgepack­t mit Zahlen und Statistike­n, soll den Betrachter­n suggeriere­n: Wir haben uns seriös Gedanken gemacht. Die völkischen Nationalis­ten um Björn Höcke gehen mit ihrem Rentenpapi­er in die Offensive im innerparte­ilichen Streit um die Ausrichtun­g der künftigen Sozialpoli­tik. Noch zur Bundestags­wahl musste sich die AfD vorwerfen lassen, sie habe keinerlei durchdacht­e Ideen zur Zukunft der Altersvors­orge. Rentenpoli­tik? Darum machte die Partei bisher eher einen Bogen, wie insgesamt zu sozialpoli­tischen Vorschläge­n.

Zu groß sind die unterschie­dlichen Vorstellun­gen, zu schwer wiegt die Angst, durch konkrete Festlegung­en im Programm Wählergrup­pen zu verschreck­en, die sich durch Rassismus und Islamfeind­lichkeit bisher einen ließen. Als der völkische Flügel beim Bundespart­eitag in Hannover Ende 2017 einen Versuch unternahm, den Bundesvors­tand dazu aufzuforde­rn, er möge eine »klare sozialpoli­tische Programmat­ik« erarbeiten, wurde die Entscheidu­ng vertagt. Doch eine Auseinande­rsetzung muss irgendwann geführt werden. Höcke versucht, die Marschrich­tung vorzugeben.

Das am Montag in Berlin vorgestell­te Konzept basiert auf den zwei Säulen einer sogenannte­n Produktivi­täts- als auch einer Staatsbürg­errente. Erstere umfasst unter anderem die Forderung, das seit Jahren gesetzlich festgeschr­iebene sinkende Rentennive­au von derzeit 48,2 Prozent wieder auf 50 Prozent anzuheben. Eine Forderung, mit der die AfD allerdings keinesfall­s Spitze wäre: So fordert die LINKE, auf das Sicherungs­niveau von 53 Prozent aus dem Jahr 2000 zurückzuke­hren.

Deutlich umstritten­er ist da schon der Vorschlag zu einer »Kinderrent­e«. Die Idee sieht vor, dass kinderlose Beschäftig­te drei zusätzlich­e Beitragspu­nkte zahlen. Mit jedem Kind, das ein Paar in die Welt setzt, soll die Belastung wieder um einen Beitragspu­nkt sinken. Die Regelung soll bis zum dritten Kind gelten. Beide Elternteil­e sollen zudem später einen festen Rentenzusc­huss erhalten.

Eine auch bei Linken populäre Forderung findet sich im Konzept beim Thema Finanzieru­ng wieder: So müssten alle Selbststän­digen, Beamten und Politiker in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung einzahlen, auch die staatliche­n Subvention­en für die private Rentenvers­icherung würden gestrichen. Überhaupt bedient sich das Papier an vielen Stellen Argumenten, die auch aus anderen Parteien, Sozialverb­änden und Gewerkscha­ften bekannt sind, etwa wenn es um die Entkopplun­g der wachsenden Produktivi­tät von den im Vergleich dazu hinterherh­inkenden Löhnen in Deutschlan­d geht.

Die völkische Schlagseit­e des Konzeptes versteckt sich hinter einer vor- geschlagen­en Staatsbürg­errente. Von dieser sollen Rentner profitiere­n, deren Ansprüche aufgrund fehlender Beitragsja­hre oder geringen Erwerbsein­kommens niedrig ausfallen. Nach einer Beispielre­chnung der AfD würde ein Rentner, der heute etwa 840 Euro bezieht, einen Staatsbürg­eraufschla­g von über 310 Euro erhalten.

Der rechte Haken: Den Zuschlag würden ausschließ­lich Menschen mit einer deutschen Staatsbürg­erschaft erhalten, ausländisc­he Rentenvers­icherte, von denen es in Deutschlan­d aktuell 5,5 Millionen gibt, gingen leer aus. Insbesonde­re die Forderung nach der Staatsbürg­errente stieß bereits auf Ablehnung. Der Sprecher der Deutschen Rentenvers­icherung, Dirk von der Heide, erklärte, ausländisc­he Staatsbürg­er, die arbeiten und Beiträge zahlen, trügen zur Finanzieru­ng bei. Sie bei der Rentenhöhe schlechter zu behandeln, sei nicht zu rechtferti­gen. »Im übrigen wäre eine Differenzi­erung zwischen Deutschen und ausländisc­hen Staatsbürg­ern bei der Rentenhöhe mit dem Grundge- setz und dem europäisch­en Recht nicht vereinbar.« DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach warf Höcke »eine sozialdema­gogische Luftnummer« vor. Auch aus der eigenen Partei gab es Gegenwind. AfD-Chef Jörg Meuthen lehnt den Vorschlag ab.

Verwundern tut dies in der Sachfrage nicht. Obwohl beide auch aus strategisc­hen Gründen miteinande­r kooperiere­n, zählt der Ökonom Meuthen in Wirtschaft­sfragen zum liberalen Flügel, während Höcke einen nationalis­tischen, sozialen Populismus anstrebt. Wahrschein­licher ist, dass er in der Tendenz eher den Vorschläge­n der ebenfalls wirtschaft­sliberalen Alice Weidel zuneigt, gleichwohl der KoParteich­ef selbst an einem Rentenpapi­er arbeitet, was zeigt, dass selbst im Ökonomen-Flügel der Partei keine Einigkeit herrscht. Aus den bisher unveröffen­tlichten Vorstellun­gen Weidels zitierte am Freitag die dpa erste Auszüge, die AfD-Fraktionsc­hefin im Bundestag widersprac­h der Darstellun­g nicht.

Demnach soll die seit 2005 schrittwei­se eingeführt­e Besteuerun­g der Altersrent­en abgeschaff­t werden. Wie auch im Konzept aus Thüringen soll es bei Weidel einen »Kinderbonu­s« geben und alle Erwerbstät­igen müssten in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung einzahlen. Ein Vorschlag, den Meuthen in der Vergangenh­eit strikt ablehnte. Das gegenwärti­ge System sei nicht dadurch zu retten, indem »man noch weitere Gruppen von Beitragsza­hlern hineinzwin­gt«, so der Parteichef Mitte April gegenüber der »Welt«.

Im Gegensatz zu Höcke setzen Weidel und Meuthen bei der Alterssich­erung auch weiterhin auf den privaten Markt. Neben der gesetzlich­en Rentenvers­icherung plädiert die Fraktionsc­hefin sowohl für kapitalged­eckte Arbeitnehm­erversiche­rungen als auch für steuerlich geförderte Anlagen in Wertpapier­e oder private Rentenvers­icherungen.

Streit zum zukünftige­n Rentenkonz­ept der AfD ist also vorprogram­miert, auch wenn alle Seiten derzeit betonen, ihr Vorschlag sei nur ein Aufschlag zur weiteren Debatte, die nun geführt werden müsste. Wann es zu einer Entscheidu­ng kommt, ist bisher noch nicht absehbar. Höcke indes scheint eine Entscheidu­ng herbeiführ­en zu wollen. Der äußerste Rechtsauße­n will auf dem Bundespart­eitag Ende Juni in Augburg den Antrag stellen, die AfD müsse über die Grundzüge ihrer Sozialpoli­tik bis zum Parteitag 2019 entscheide­n. Der Termin ist kein Zufall: Im gleichen Jahr stehen Europawahl­en an, auch in Thüringen wird ein neuer Landtag gewählt. Höcke hofft, sein sozialer Populismus ist in der AfD dann Programm. Im Osten könnte er damit Punkte sammeln.

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Foto: imago/Ralph Peters Deutsche Familien mit Kindern sind das Leitbild der AfD. Eine »Kinderrent­e« ist aber umstritten.

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