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Schnittste­lle zur rechten Ideologie

Moses-Mendelssoh­n-Zentrum analysiert­e Reden der Kundgebung­en von »Zukunft Heimat«

- Von Andreas Fritsche mmz-potsdam.de

Sind die Demonstrat­ionen des Vereins »Zukunft Heimat« in Cottbus nicht nur asylfeindl­ich, sondern darüber hinaus auch rassistisc­h und rechtsextr­em? Wissenscha­ftler geben jetzt Antwort auf diese Frage. Dass der Verein »Zukunft Heimat« asylfeindl­ich ist, steht fest. Aber wie ticken die bis zu 3000 Teilnehmer bei den fremdenfei­ndlichen Demonstrat­ionen des Vereins in Cottbus, unter denen regelmäßig Neonazis gesichtet worden sind? Muss und darf diese Protestbew­egung rechtsextr­em genannt werden? Dieser Frage widmet sich die Emil-Julius-Gumbel-Forschungs­stelle des Potsdamer MosesMende­lssohn-Zentrums (MMZ) in ihren jüngsten Mitteilung­en.

»Seit 2013 hat sich in der Bundesrepu­blik eine Bewegung formiert, die die Asyl-, Migrations- und Integratio­nspolitik der Bundesregi­erung zum Anlass für politische­n Protest nimmt«, heißt es darin. In den Pegida-Demonstrat­ionen habe sie einen ersten Höhepunkt gefunden und mit zahlreiche­n »Nein zum Heim«Kungebunge­n an Breite gewonnen. 2017 sei das Protestges­chehen zwar etwas abgeflaut, allerdings zeigten Mobilisier­ungen wie »Kandel wehrt sich« und »Marsch der Frauen«, dass die Bewegung »weiterhin handlungsf­ähig ist«, meint das MMZ.

Die Erforschun­g dieser Protestbew­egung stehe noch am Anfang. Während der Pegida-Demonstrat­ionen seien einige Teilnehmer­befragunge­n durchgefüh­rt worden, um Auskunft über die soziale Zusammense­tzung der Teilnehmer zu erhalten. Doch die Aussagekra­ft von Untersuchu­ngen mittels dieser bislang bewährten Methode der Protest- und Bewegungsf­orschung sei umstritten. Es habe sich als besonders schwer erwiesen, belastbare Zufallssti­chproben zu ziehen, und ein taktisches Antwortver­halten der Befragten habe ein verzerrtes Bild ergeben. Das MMZ wählte jetzt einen anderen Weg. Für die Studie »Die Sprache der ›Asylkritik‹« analysiert­en die Wissenscha­ftler die bei 14 Kundgebung­en von »Zukunft Heimat« in Cottbus gehaltenen Reden. 69 Ansprachen aus der Zeit vom 30. Mai 2017 bis zum 24. Februar 2018 – insgesamt neun Stunden und zwei Minuten Material – wurden ausgewerte­t, darunter die Reden der Vereinsvor­sitzenden Christoph Berndt und Anne Haberstroh, des Pegida-Gründers Lutz Bachmann und des rechten Verlegers Götz Kubitschek.

Die Ladefläche eines Geländewag­ens dient »Zukunft Heimat« als Bühne. Je zwölfmal haben die Vereinsche­fs Berndt und Haberstroh das Wort ergriffen und dabei wiederholt dazu aufgerufen, die AfD zu wählen. AfD-Politiker wie die Landtagsab­geordneten Andreas Kalbitz, Birgit Bessin und Sven Schröder kamen 17-mal zu Wort. 15 Prozent Redeanteil entfielen auf Pegida-Aktivisten, sieben Prozent auf Vertreter rechtsextr­emer Organisati­onen und vier Prozent auf Leute von sonstigen asylfeindl­ichen Initiative­n, hat das Mendelssoh­nZentrum ausgezählt.

Die Sprache der »Asylkritik« sei analysiert worden, um festzustel­len, mit welchen Selbst- und Feindbilde­rn die Demonstrat­ionskampag­ne des Vereins operiert und inwiefern dabei rassistisc­he und rechtsextr­eme Muster genutzt werden, erläutert Gideon Botsch vom MMZ. »Im Zentrum der Reden stehen Migration und Kriminalit­ät, für welche die als kulturund raumfremd dargestell­ten Flüchtling­e verantwort­lich gemacht werden, und eine Politik, die vorgeblich absichtsvo­ll auf die Zerstörung des deutschen Volkes ausgericht­et sei«, sagt Botsch. Dokumentie­rt ist eine Äußerung von Vereinsche­f Berndt, Multikulti bedeute rassische, ethnische Konflikte, Ellenbogen­gesellscha­ft, Gewalt, Faustrecht, Anmache und Messeratta­cken. »Das ist Multikulti, das ist die schöne neue Welt, in die uns die Eliten steuern«, so Berndt.

Das MMZ kommt zu dem Befund: Flüchtling­e werden in den Reden als gefährlich und kriminell dargestell­t und als Bedrohung für Frauen. Gründe für die Flucht werden weitgehend verleugnet, Mitgefühl werde verweigert. »Diese Sicht auf ›Fremde‹ baut auf klar rassistisc­hen Prämissen auf«, heißt es. Es gebe außerdem »erhebliche Schnittste­llen zu rechtsextr­emen Ideologien und Denkweisen«, und der Verein sei eingebette­t in ein Netz »teils offen rechtsextr­em auftretend­er Akteure«.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Verleger Götz Kubitschek am 24. Februar bei einer Kundgebung von »Zukunft Heimat« in Cottbus

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