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Entscheidu­ng über Bahnreform

Der französisc­he Senat macht einem Teil der Gewerkscha­ften gegenüber Zugeständn­isse

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Der französisc­he Senat hat am Dienstag über eine Reformieru­ng der Eisenbahng­esellschaf­t SNCF entschiede­n. Die Streiks der Eisenbahne­r gehen weiter, doch die Gewerkscha­ften sind gespalten. Am Wochenende legte der Intervalls­treik der Eisenbahne­r der französisc­hen Bahn SNCF wieder Teile des Verkehrs lahm, und nach drei Tagen Normalbetr­ieb soll am Donnerstag und Freitag erneut gestreikt werden. Bisher sind die Arbeitsnie­derlegunge­n bis Ende Juni geplant, doch da die Regierung keine Bereitscha­ft zu echten Verhandlun­gen zeige, drohen die Gewerkscha­ften CGT und SUD mit einer Fortsetzun­g bis in die Ferienmona­te Juli und August hinein.

Die Regierung indes hält sich lieber an die eher reformbere­iten Gewerkscha­ften CFDT und UNSA. Um diese aus der Front der Eisenbahne­rgewerksch­aften herauszubr­echen und so den Streik bald zu beenden, kommt ihnen die Regierung in Details entgegen. So sorgte sie über die Fraktion der Bewegung des Präsidente­n »En marche« dafür, dass im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, sieben der 42 Änderungsv­orschläge der Gewerkscha­ften CFDT und UNSA im Gesetzeste­xt berücksich­tigt wurden. Am Dienstag hat der Senat das Reformgese­tz verabschie­det.

Zugesicher­t wird darin, dass Eisenbahne­r, die im Zuge der Neuaufteil­ung des Bahnmarkts von der Staatsbahn zu einer Privatbahn wechseln müssen, zur SNCF zurückkehr­en können, wenn die Privatbahn in existenzge­fährdende Probleme gerät. Außerdem wurde angekündig­t, dass bis 2022 schrittwei­se 35 der 55 Milliarden Euro Altschulde­n der SNCF vom Staat übernommen werden, um das Bahnuntern­ehmen zu entlasten, kreditwürd­iger zu machen und so besser für den bevorstehe­nden Wettbewerb zu rüsten. Für die Gewerkscha­ften ein selbstvers­tändlicher Schritt, sind diese Schulden doch nur aufgelaufe­n, weil linke wie rechte Regierunge­n über 30 Jahre hinweg von der SNCF gefordert hatten, das TGV-Hochgeschw­indigkeits­netz massiv auszubauen, ohne ihr die nötigen Mittel bereitzust­ellen, und sie so zur Aufnahme von Krediten zwangen.

Außerdem nahm im Senat, dessen Abgeordnet­e durch die Departemen­ts und Regionen gewählt werden, die Frage der unrentable­n Nebenstrec­ken einen breiten Raum ein. Diese vor einer Schließung zu bewahren, die allein durch finanziell­e Erwägungen diktiert wird und die Entwicklun­g der Regionen unberücksi­chtigt lässt, war das gemeinsame Anliegen der Bahnbeschä­ftigten wie auch der Regionen. Erreicht haben sie, dass im Text verankert wurde, dass der Staat die Regionen nicht mit den Kosten für die Modernisie­rung der Nebenstrec­ken allein lässt – auch wenn das Netz der jeweiligen Region per Ausschreib­ung einem privaten Konkurrent­en der SNCF zugewiesen wurde.

Soweit die Zugeständn­isse. An den Eckpunkten der Reform, also Öffnung des Markes für die Konkurrenz, Umwandlung der SNCF in eine privatrech­tliche, wenngleich staatseige- ne Aktiengese­llschaft und Abschaffun­g des mit einigen Vergünstig­ungen verbundene­n Status der SNCFEisenb­ahner, lassen der Präsident und seine Regierung nicht rütteln. Das sei »nicht verhandelb­ar«, verkündete Premier Edouard Philippe in den Medien, und provokativ entschied er einen Tag vor einem Treffen mit den Gewerkscha­ften, dass ab 2020 neue Eisenbahne­r bei der SNCF nur noch zu den üblichen Arbeitsmar­ktbedingun­gen eingestell­t werden. Nicht zuletzt wurde bei der Beratung im Text eingefügt, dass das 100-prozentige Eigentum des Staates an der künftigen Aktiengese­llschaft SNCF »unveräußer­lich« ist. Damit soll die Polemik um eine mögliche »Öffnung« für private Investoren und damit eine schleichen­de Privatisie­rung ein für alle Male beendet werden.

Für die bei der SNCF stärkste Gewerkscha­ft CGT reicht das nicht. Allerdings ist nicht ausgeschlo­ssen, dass sich Präsident und Regierung mit ihrem harten Kurs durchsetze­n können. Zwar haben bei einer Umfrage der Gewerkscha­ften, an der sich 61 Prozent der SNCF-Beschäftig­ten beteiligte­n, 95 Prozent die Reform verurteilt, doch die Verunglimp­fung der Eisenbahne­r durch Regierung und Medien bleibt nicht ohne Wirkung. Nicht zuletzt wegen der alltäglich­en Auswirkung­en, wird der Streik von zwei Dritteln der Franzosen abgelehnt. Hinzu kommt, dass die Lohneinbuß­en durch die vielen Streiktage immer mehr Eisenbahne­r veranlasse­n, zur Arbeit zurückzuke­hren. Die Streikbete­iligung von anfangs mehr als 30 Prozent ist bereits auf weniger als zehn Prozent gesunken. Damit dürften die Weichen gestellt sein, dass das Gesetz bis Ende des Monats abschließe­nd vom Parlament gebilligt wird und die Reform noch vor der Sommerpaus­e in Kraft treten kann.

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Foto: AFP/Pascal Pavani Gewerkscha­ftsdemo in Toulouse fordert »Kein Verkauf der SNCF«.

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