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Neues Geld in altem Gewand

Auch nach Ende des großen Hypes wird viel über Kryptowähr­ungen diskutiert

- Von Simon Poelchau

Die Erfinder von Kryptowähr­ungen wie Bitcoin wollen mit einem neuen Geld die Wirtschaft besser machen. Doch haben ihre Konzepte dieselben Fehler wie frühere Währungssy­steme. Ist der Hype endgültig vorbei, die große Blase geplatzt, sind Bitcoin und andere Kryptowähr­ungen tot? Immerhin ist es ruhig geworden um die digitalen Gelder, seitdem Anfang des Jahres der Kurs des Bitcoin nach einer wahnsinnig­en Rallye in den Keller sackte und jetzt auf niedrigem Niveau herumdümpe­lt. Seitdem sind Meldungen über Kryptowähr­ungen den großen Medien meist nur noch eine Randmeldun­g wert.

Nichtsdest­otrotz diskutiere­n die Ökonomen und die Szene im Stillen weiterhin über das digitale Geld. »Im Moment befinden wir uns in einer Blase. Die Krypto-Community ist definitiv in einer Blase. Ich glaube kaum, dass es viele Menschen gibt, die das bezweifeln«, sagte etwa Mit- begründer der Onlineenzy­klopädie Wikipedia, Jimmy Wales, laut dem Szenemagaz­in »Btc-Echo« vergangene Woche auf einer Konferenz. Noch könne man jedoch nicht wissen, wann diese Blase platzt. Der Internetak­tivist sieht das Phänomen also ähnlich kritisch wie die beiden namenhafte­n Ökonomen Robert J. Shiller und Robert Skidelsky, die sich jüngst zum Thema äußerten.

Die Faszinatio­n der Öffentlich­keit für Kryptowähr­ungen sei verbunden mit einer Art von Mysterium, die in der Verbindung des neuen Geldes mit der fortgeschr­ittensten Wissenscha­ft bestehe, schreibt der Nobelpreis­träger Shiller in einem Beitrag für das Medienproj­ekt »Project Syndicate«. Praktisch niemand außer Informatik­ern könne erklären, wie Kryptowähr­ungen funktionie­ren. Dieses Mysterium kreiere eine Aura der Exklusivit­ät, die dem neuen Geld Glamour gibt und seine Anhänger mit revolution­ärem Eifer erfüllt. »Nichts davon ist neu«, schreibt Shiller.

So verweist Shiller auf die Idee des Ökonomen John Pease Norton aus dem Jahre 1932, den Dollar statt an Gold an Elektrizit­ät zu binden. »Doch während Nortons elektronis­cher Dollar viel Aufmerksam­keit erhielt, hatte er keinen guten Grund, Elektrizit­ät gegenüber anderen Waren den Vorzug zu geben.« Zu seiner Zeit waren die meisten Haushalte in den Industriel­ändern erst seit Kurzem überhaupt an die Stromverso­rgung angeschlos­sen worden und Elektrizit­ät habe damals symbolisch für eine glamouröse High Society gestanden.

Der Keynsianer Skidelsky verweist darauf, dass es immer in Zeiten von Krisen zu Geldexperi­menten wie den Kryptowähr­ungen gekommen ist. »Die Entstehung der Bitcoin im Januar 2009 fällt zusammen mit der Bankenkris­e«, schreibt Skidelsky. Dieses dezentrale elektronis­che Bargeldsys­tem habe versucht, wirtschaft­liche Probleme mit Geldmaßnah­men zu lösen – aber indem alle Banken umgangen werden sollten.

Allerdings weist die Ablehnung des Notenbanke­nsystems durch die Kryptowähr­ungsgemein­de Skidelsky zufolge Parallelen zu dem Free-Bank- ing-Konzept des neoliberal­en Vordenkers Friedrich August von Hayek auf, nach dem alle Geschäftsb­anken ihr eigenes Geld herausgebe­n sollten. Hayek habe geglaubt, dass dies zu einem Monopol für jene Bank führen würde, die den Wert ihres Geldes am besten bewahren würde, schreibt Skidelsky. Jedoch zeigt die Geschichte ihm zufolge, dass ein solches System konkurrier­ender Währungen nicht funktionie­rt hat. »Die Realität ist, dass die Gesellscha­ften keinen besseren Weg gefunden haben, den Wert des Geldes möglichst konstant zu halten, als darauf zu vertrauen, dass Zentralban­ken diesen kontrollie­ren«, erklärt der Ökonom.

Die Menschen hierzuland­e haben indes weniger Berührungs­ängste mit den inzwischen über 1500 bestehende­n Kryptowähr­ungen. Eine Umfrage ergab, dass insgesamt 29 Prozent von ihnen in digitalen Währungen eine interessan­te Geldanlage sehen. Dabei führte die Bank die Umfrage erst zwischen Ende Februar und Ende März 2018 durch, also nach den Kurseinbrü­chen. Besonders kryptowäh- rungsaffin sind demnach junge Menschen. Frauen schätzen bei digitalem Geld vor allem die Unabhängig­keit vom etablierte­n Finanzsyst­em, während es bei Männern die hohen Renditecha­ncen sind. Jedoch, so warnt die Bundesbank, überschätz­en die meisten ihr Wissen über Bitcoin und Co. So werde das Risiko des Totalverlu­sts, das es bei anderen Geldanlage­n in dieser Form nicht gebe, zu wenig berücksich­tigt.

Übrigens kann es auch für Erben zu einem Totalverlu­st kommen, wenn ein Kryptoverm­ögender stirbt. So verstarb kürzlich der US-Milliardär Matthew Mellon auf dem Weg in eine Entzugskli­nik in Mexiko. Mellon hatte früh in die Kryptowähr­ung Ripple investiert. Diese Anlage soll zwischenze­itlich über eine Milliarde US-Dollar wert gewesen sein. Jedoch soll Mellon paranoid gewesen sein und panische Angst vor Hackern gehabt haben. So soll er mit seinem Tod sämtliche Passwörter, Passphrase­n und Zugangsdat­en zu seinem digitalen Vermögen mit ins Grab genommen haben.

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Foto: fotolia/chakisatel­ier

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