Neues Geld in altem Gewand
Auch nach Ende des großen Hypes wird viel über Kryptowährungen diskutiert
Die Erfinder von Kryptowährungen wie Bitcoin wollen mit einem neuen Geld die Wirtschaft besser machen. Doch haben ihre Konzepte dieselben Fehler wie frühere Währungssysteme. Ist der Hype endgültig vorbei, die große Blase geplatzt, sind Bitcoin und andere Kryptowährungen tot? Immerhin ist es ruhig geworden um die digitalen Gelder, seitdem Anfang des Jahres der Kurs des Bitcoin nach einer wahnsinnigen Rallye in den Keller sackte und jetzt auf niedrigem Niveau herumdümpelt. Seitdem sind Meldungen über Kryptowährungen den großen Medien meist nur noch eine Randmeldung wert.
Nichtsdestotrotz diskutieren die Ökonomen und die Szene im Stillen weiterhin über das digitale Geld. »Im Moment befinden wir uns in einer Blase. Die Krypto-Community ist definitiv in einer Blase. Ich glaube kaum, dass es viele Menschen gibt, die das bezweifeln«, sagte etwa Mit- begründer der Onlineenzyklopädie Wikipedia, Jimmy Wales, laut dem Szenemagazin »Btc-Echo« vergangene Woche auf einer Konferenz. Noch könne man jedoch nicht wissen, wann diese Blase platzt. Der Internetaktivist sieht das Phänomen also ähnlich kritisch wie die beiden namenhaften Ökonomen Robert J. Shiller und Robert Skidelsky, die sich jüngst zum Thema äußerten.
Die Faszination der Öffentlichkeit für Kryptowährungen sei verbunden mit einer Art von Mysterium, die in der Verbindung des neuen Geldes mit der fortgeschrittensten Wissenschaft bestehe, schreibt der Nobelpreisträger Shiller in einem Beitrag für das Medienprojekt »Project Syndicate«. Praktisch niemand außer Informatikern könne erklären, wie Kryptowährungen funktionieren. Dieses Mysterium kreiere eine Aura der Exklusivität, die dem neuen Geld Glamour gibt und seine Anhänger mit revolutionärem Eifer erfüllt. »Nichts davon ist neu«, schreibt Shiller.
So verweist Shiller auf die Idee des Ökonomen John Pease Norton aus dem Jahre 1932, den Dollar statt an Gold an Elektrizität zu binden. »Doch während Nortons elektronischer Dollar viel Aufmerksamkeit erhielt, hatte er keinen guten Grund, Elektrizität gegenüber anderen Waren den Vorzug zu geben.« Zu seiner Zeit waren die meisten Haushalte in den Industrieländern erst seit Kurzem überhaupt an die Stromversorgung angeschlossen worden und Elektrizität habe damals symbolisch für eine glamouröse High Society gestanden.
Der Keynsianer Skidelsky verweist darauf, dass es immer in Zeiten von Krisen zu Geldexperimenten wie den Kryptowährungen gekommen ist. »Die Entstehung der Bitcoin im Januar 2009 fällt zusammen mit der Bankenkrise«, schreibt Skidelsky. Dieses dezentrale elektronische Bargeldsystem habe versucht, wirtschaftliche Probleme mit Geldmaßnahmen zu lösen – aber indem alle Banken umgangen werden sollten.
Allerdings weist die Ablehnung des Notenbankensystems durch die Kryptowährungsgemeinde Skidelsky zufolge Parallelen zu dem Free-Bank- ing-Konzept des neoliberalen Vordenkers Friedrich August von Hayek auf, nach dem alle Geschäftsbanken ihr eigenes Geld herausgeben sollten. Hayek habe geglaubt, dass dies zu einem Monopol für jene Bank führen würde, die den Wert ihres Geldes am besten bewahren würde, schreibt Skidelsky. Jedoch zeigt die Geschichte ihm zufolge, dass ein solches System konkurrierender Währungen nicht funktioniert hat. »Die Realität ist, dass die Gesellschaften keinen besseren Weg gefunden haben, den Wert des Geldes möglichst konstant zu halten, als darauf zu vertrauen, dass Zentralbanken diesen kontrollieren«, erklärt der Ökonom.
Die Menschen hierzulande haben indes weniger Berührungsängste mit den inzwischen über 1500 bestehenden Kryptowährungen. Eine Umfrage ergab, dass insgesamt 29 Prozent von ihnen in digitalen Währungen eine interessante Geldanlage sehen. Dabei führte die Bank die Umfrage erst zwischen Ende Februar und Ende März 2018 durch, also nach den Kurseinbrüchen. Besonders kryptowäh- rungsaffin sind demnach junge Menschen. Frauen schätzen bei digitalem Geld vor allem die Unabhängigkeit vom etablierten Finanzsystem, während es bei Männern die hohen Renditechancen sind. Jedoch, so warnt die Bundesbank, überschätzen die meisten ihr Wissen über Bitcoin und Co. So werde das Risiko des Totalverlusts, das es bei anderen Geldanlagen in dieser Form nicht gebe, zu wenig berücksichtigt.
Übrigens kann es auch für Erben zu einem Totalverlust kommen, wenn ein Kryptovermögender stirbt. So verstarb kürzlich der US-Milliardär Matthew Mellon auf dem Weg in eine Entzugsklinik in Mexiko. Mellon hatte früh in die Kryptowährung Ripple investiert. Diese Anlage soll zwischenzeitlich über eine Milliarde US-Dollar wert gewesen sein. Jedoch soll Mellon paranoid gewesen sein und panische Angst vor Hackern gehabt haben. So soll er mit seinem Tod sämtliche Passwörter, Passphrasen und Zugangsdaten zu seinem digitalen Vermögen mit ins Grab genommen haben.