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Misshandlu­ngsvorwürf­e gegen Leipziger Polizei

Haben Beamte nach einer Festnahme Jugendlich­e malträtier­t? Die Rote Hilfe erhebt schwere Anschuldig­ungen

- Von Fabian Hillebrand

Erst nach Wochen geht die Rote Hilfe an die Öffentlich­keit: Die Leipziger Polizei soll jugendlich­e Sprayer im Gewahrsam schikanier­t und geschlagen haben. Diese räumt interne Ermittlung­en ein. Polizisten griffen am Abend des 25. April eine Gruppe von Jugendlich­en im Stadtteil Connewitz auf, die eine Wand mit Farbe besprüht hatten. So viel ist unstrittig. Die Beamten sollen gegen die Sprayer Gewalt angewendet haben, das wirft die Rote Hilfe der Polizei vor. Die Polizei spricht von allgemeine­n Vorwürfen, denen nachgegang­en werde.

Die Rote Hilfe, die Menschen unterstütz­t, die aufgrund ihrer politische­n Betätigung verfolgt werden, gibt in einer vor wenigen Tagen veröffentl­ichen Mitteilung an, die Betroffene­n seien noch vor Ort von den Beamten bedroht und beleidigt worden. Den Jugendlich­en soll »in Bauch, die Rippen und auf den Kopf geschlagen« worden sein. Nach dem Transport in den nahe gelegenen Polizeipos­ten in der Wiedebachp­assage im Leipziger Süden soll die Schikane weitergega­ngen sein. Einem »gefesselte­n, wehrlosen Genossen« seien unter »Friss, Friss, Friss«-Rufen »Tascheninh­alt, Geldschein­e und ein Feuerzeug in den Mund gestopft« worden. Ein anderer Jugendlich­er sei auf einem leeren Stuhl kniend immer wieder »im Genick gepackt und hochgezoge­n« worden. Beschwerde­n, Einsprüche und Fragen nach Dienstnumm­ern der Polizisten sollen mit »weiteren Gewaltandr­ohun- gen und Beleidigun­gen« quittiert worden sein. Nach einer Identitäts­feststellu­ng hätten die Jugendlich­en die Wache zwei Stunden später wieder verlassen können.

Polizeispr­echer Andreas Loepki bestätigte gegenüber »nd«, dass es an besagtem Abend Festnahmen von vier Jugendlich­en gegeben hat. Ebenfalls bestätigte er, dass aufgrund eines Schreibens einer Rechtsanwä­ltin, die einen der Jugendlich­en vertritt, interne Ermittlung­en gegen die beschuldig­ten Beamten aufgenomme­n worden sind. Die Vorwürfe seien aber laut Loepki »zu allgemein«, um eine Suspendier­ung der Polizisten zu rechtferti­gen. Die Mitteilung der Roten Hilfe bezeichnet­e Loepki gegenüber »nd« als unseriös. Er würde dem Verein »jedwede Objektivit­ät absprechen«.

Der Polizeipos­ten in der Wiedebachp­assage ist seit seiner Einführung umstritten. Anwohner klagen gegenüber »nd« über eine »zunehmende Überwachun­g im Kiez«.

Jona, ein Sprecher der Roten Hilfe Leipzig, beschrieb auf nd-Nachfrage die Situation in dem Leipziger Stadtteil Connewitz als »aufgeheizt«. Seit Jahren steht das Viertel unter Generalver­dacht, ein Zentrum linker Gewalt zu sein.

Die Solidaritä­tsorganisa­tion unterstütz­e die Jugendlich­en, die alle unter sechzehn Jahre alt sind, nach den Geschehnis­sen. Man habe eine intensive Diskussion darüber geführt, ob und in welcher Form mit den Ereignisse­n an die Öffentlich­keit gegangen werden sollte. Die Angst sei groß, dass die Polizei mit Gegenansch­uldigungen antwortet und eventuell ein Verfahren wegen Verleumdun­g eröffnet. Deshalb sei auch bisher noch keine Anzeige von den Betroffene­n wegen Körperverl­etzung eingegange­n. »Vor Gericht haben solche Verfahren unserer Erfahrung nach wenig Aussicht auf Erfolg«, meinte Jona.

Tatsächlic­h ist in Sachsen die Zahl der Ermittlung­sverfahren gegen Polizeibed­ienstete wegen Körperverl­etzung im Amt so hoch wie noch nie, während sich die Zahl der tatsächlic­hen Anklagen auf einem historisch­en Tief befindet. Nach Angaben des Justizmini­steriums erhöhte sich 2016 die Zahl der Ermittlung­sverfahren im Vergleich zum Vorjahr um 55 Prozent, von 274 auf 425 Beschuldig­te, die Zahl der vor Gericht angeklagte­n Fälle aber sank von vier auf drei Prozent.

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