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»Das Vertrauen ist erschütter­t«

Die deutsche Antidoping-Agentur hält nichts davon, dass der Sport sich selbst kontrollie­rt. Doch die FIFA will sich bei der Fußball-WM nicht reinreden lassen

- Von Oliver Kern

Die deutschen Dopingkont­rolleure testen viel, fassen aber wenige Sünder. Das kann für die Athleten sprechen oder gegen die Nationale Antidoping-Agentur. Die NADA kritisiert derweil Russland und die FIFA. Das Jahr 2017 ist schon lange Geschichte. Eine Bilanz zu ziehen, mag im Juni 2018 also recht spät erscheinen, doch die Führung der Nationalen Antidoping-Agentur NADA wählt bewusst gern einen Termin im Frühsommer, um die Zahlen des vergangene­n Jahres vorzustell­en. So kurz vor einem Fußball-Großereign­is passiert ja sonst nicht viel, und so ist die Aufmerksam­keit um einiges höher.

Die vorgestell­ten Zahlen waren jedoch erneut nicht spektakulä­r: 16 351 genommene Dopingprob­en waren et- was mehr als 2016, die 82 möglichen Verstöße etwas weniger, 24 bislang sanktionie­rte Fälle dafür wieder ein paar mehr als im Vorjahr. Die NADA testet also im internatio­nalen Vergleich immer noch recht viel, schnappt dafür aber recht wenige Sünder. Ob es daran liegt, dass hierzuland­e weniger gedopt wird oder die Kontrollen nur besser umgangen werden, konnte die NADA-Vorsitzend­e Andrea Gotzmann auch an diesem Dienstag in Berlin nicht klären.

Sie nutzte lieber die Gelegenhei­t, den Blick ins Ausland zu lenken, speziell nach Russland und auf die dort bald beginnende Fußball-Weltmeiste­rschaft. Der Dopingskan­dal um die Olympische­n Spiele 2014 in Sotschi, der im Report von Richard McLaren für die Welt-Antidoping-Agentur WADA untersucht wurde, habe »das Vertrauen in die Antidoping-Institu- tionen erschütter­t«, sagte Gotzmann. Grund dafür sei jedoch »nicht allein das russische Betrugssys­tem, sondern dass keine nachvollzi­ehbaren Konsequenz­en gezogen werden«.

Speziell der Fakt, dass Weltsportv­erbände weiter selbst kontrollie­ren und sanktionie­ren, ist der NADA ein Dorn im Auge. »Die Expertise der nationalen Agenturen und der WADA müssen künftig stärker die Antidoping-Arbeit prägen. Diese muss von unabhängig­en Organisati­onen geleistet werden, nicht von Sportorgan­isatoren. Nur so kann das Vertrauen wieder hergestell­t werden«, kritisiert­e Gotzmann gleich zwei globale Player mit einem Argument. Einerseits wurden nur jene russische Athleten vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) zu den Winterspie­len 2018 nach Südkorea eingeladen, die Tests einer neuen Agentur ITA bestanden hatten. Diese ist laut Gotzmann aber nicht vom IOC unabhängig. Zugleich testet der Fußballwel­tverband FIFA nun bei der WM seine Stars komplett selbst. »Das bemängeln wir seit Jahren, zumal es keine Koordinati­on mit den nationalen Agenturen gibt.« Wenn sich FIFA und NADA aber nicht abstimmen, können manche Spieler in der WMVorberei­tung doppelt getestet werden, andere dafür gar nicht. Effizient ist das nicht.

Doch nicht nur der Weltverban­d scheint beratungsr­esistent zu sein. Auch der Deutsche Fußball-Bund weigert sich, sein Ergebnisma­nagement, also die Verfolgung und Sanktionie­rung von Sündern, an die NADA abzutreten. »Dabei haben wir Experten, die sich täglich damit beschäftig­en. Die Verbände sind damit oft überforder­t, wenn alle Jubeljahre mal ein positiver Fall kommt«, berichtete NADA-Vorstand Lars Mortsiefer.

Bei der WM werden nun Dopingprob­en von internatio­nalen Kontrolleu­ren genommen und im Ausland analysiert. Die russische Antidoping­Agentur und das Moskauer Labor sind noch suspendier­t, und das zurecht wie Gotzmanns sagte: »Es müssen alle Forderunge­n der WADA umgesetzt werden.« Erst dann könnten die Suspendier­ungen aufgehoben werden.

Die WADA verlangt den Zugang zum Moskauer Labor und die Anerkennun­g von McLarens Ergebnisse­n. Hochrangig­e russische Funktionär­e hatten zwar vor Kurzem in einem Brief systematis­che Manipulati­onen eingestand­en, eine institutio­nelle, staatliche Beteiligun­g wird jedoch weiterhin bestritten. Die Datensätze und eingelager­ten Proben des Labors bleiben weiter versiegelt.

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Foto: dpa/Leanza Nicht einmischen! Die FIFA um Chef Gianni Infantino kümmert sich um die Dopingtest­s lieber selbst.

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