nd.DerTag

Das Glas in der Luft

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Berlin. Auf die Erde zurückgeke­hrte Astronaute­n stellen gerne mal ein Glas in der Luft ab, heißt es. Stimmt das? »Nein«, sagt Alexander Gerst. »Es ist andersrum. Man hat im Weltraum ein Gefühl entwickelt, dass man nichts loslassen darf, sonst schwebt es weg. Man muss alles ankletten oder feststecke­n. Wenn man einen Stift in der Hand hat, eine Schere und ein Tape, dann steckt man sich die zwischen die Finger – daran gewöhnt man sich.« Die Gewohnheit bleibe eine Weile. »Daran kann man Astronaute­n erkennen: Sie sitzen da mit zwei Stiften, einem Löffel und dem Kaffeebech­er in der Hand, weil sie nicht gewohnt sind, dass sie etwas mal hinstellen können. So rum ist das.«

Auf der ISS hingegen seien ihm ständig Dinge abhanden gekommen, so Gerst. »Ich habe anfangs öfter mal Sachen verloren, weil ich dachte: O.k., das kann ich ja mal kurz hier in der Luft abstellen. Auch wenn es wie eine super Idee klingt, die Schwerelos­igkeit für sich zu nutzen, so ist es leider doch ein Anfängerfe­hler. Weil: Dinge bewegen sich trotz Schwerelos­igkeit, und zwar gaaaanz langsam. Wenn man dann abgelenkt wird, zum Beispiel durch einen Funkspruch, ist es weg.« Zu finden sei das Verlorene oft erst mal nicht mehr. »Die Raumstatio­n ist ja so voll mit Ausrüstung, das versteckt sich da irgendwo und zwei Tage später findet man’s.« Einmal habe er seinen Löffel verloren. Der war drei Wochen weg. Er hatte sich in der letzten Ecke der Raumstatio­n versteckt, in einem Luftfilter.

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