nd.DerTag

Geteilte Verantwort­ung

Sebastian Bähr fordert eine faire Verteilung von Flüchtling­en

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Die neue italienisc­he Rechtsregi­erung hat ihre Drohungen wahr gemacht. Die Häfen sind offenbar fortan für Seenotrett­er geschlosse­n. Der italienisc­he Innenminis­ter Matteo Salvini will mit der Aktion offenkundi­g Stärke zeigen und Druck auf die europäisch­en Nachbarlän­der ausüben. Obwohl Rom die Rettungsei­nsätze vor der libyschen Küste bisher koordinier­te, sieht er sein Land nicht mehr in der Verantwort­ung, die Schutzsuch­enden aufzunehme­n.

Die Leidtragen­den des diplomatis­chen Machtkampf­s und der rassistisc­hen Symbolpoli­tik: Hunderte Geflüchtet­e, die seit Tagen auf einem Rettungssc­hiff ausharren, während ihre Vorräte zur Neige gehen. Zehntausen­de, die weiterhin in libyschen Lagern Elend und Gewalt ausgesetzt sind. Hilfsorgan­isationen, die nach Beschlagna­hmungen, diffamiere­nden Ermittlung­en und Angriffen durch die Libyer erneut vor gefährlich­er Ungewisshe­it stehen.

Wenn die EU-Kommission und das Bundeskanz­leramt diffus fordern, dass alle Beteiligte­n ihrer humanitäre­n Verantwort­ung gerecht werden müssen, ist das zynisch. Das ungerechte Dublin-Regime der EU setzt Italien erheblich unter Druck und bürdet dem Land eine Hauptlast der Migrations­bewegungen auf. Das System gehört längst durch eine gerechte EUweite Verteilung der Schutzsuch­enden und sichere wie legale Einreisemö­glichkeite­n ersetzt. Der Kampf dafür muss auf der politische­n Bühne geführt werden, aber nicht auf Kosten der Geflüchtet­en. Europäisch­e Solidaritä­t würde die italienisc­he Rechte schwächen.

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