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Kein Kindergeld für die Ärmsten

Seit 2007 Sozialleis­tungen in Höhe von 50 Milliarden Euro vorenthalt­en

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Berlin. Kindergeld in Milliarden­höhe wird bei Hartz-IV-Beziehern angerechne­t. 2017 wurden die Hartz-Leistungen unterm Strich um 4,9 Milliarden Euro vermindert, wie aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Frage der LINKEN im Bundestag hervorgeht. Zwischen 2007 und 2017 wurden demnach insgesamt 49,5 Milliarden Euro Kindergeld angerechne­t. Das Kindergeld beträgt 194 Euro für das erste und zweite, 200 Euro für das dritte und 225 Euro für jedes weitere Kind.

Sabine Zimmermann, Sozialexpe­rtin der LINKEN, bezeichnet­e das als »Dauerskand­al«: »Kinder Gutverdien­ender profitiere­n vom Kinderfrei­betrag. Kinder aus Familien, die nicht auf Hartz IV angewiesen sind, bekommen das Kindergeld. Die Ärmsten aber bekommen gar nichts.« Das sei das Gegenteil vorausscha­uender Familienpo­litik.

Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) hatte bei RTL zur Begründung gesagt, dass man einen Lohnabstan­d brauche zwischen Menschen, die Arbeit haben und denen, die keine haben.

Kindergeld soll das Existenzmi­nimum sichern und wird deshalb unabhängig von der Höhe des elterliche­n Einkommens gezahlt. Klingt gerecht. Während aber in der Praxis Gutverdien­er sogar höhere Entlastung­en als das Kindergeld bekommen, weil sie von Steuerfrei­beträgen profitiere­n, die sich erst bei höheren Einkommen auswirken, wird denen, die wenig haben, das Kindergeld von den Sozialleis­tungen abgezogen. So bekommt ein vierjährig­es Kind statt 240 Euro Hartz IV nur 46 Euro ausgezahlt, der Rest ist laut Meinung der Regierende­n mit dem Kindergeld abgegolten.

Begründet wird das mit dem Lohnabstan­dsgebot. Dieses Dogma ist aber grundsätzl­ich falsch, dient es doch einzig zur Unterdrück­ung sowohl der Sozialleis­tungsbezie­her als auch der Geringverd­iener. Wer den gesetzlich­en Mindestloh­n so tief ansetzt, dass selbst Vollzeitar­beitende davon kaum existenzsi­chernd leben können, kann mit dem Lohnabstan­dsgebot begründen, dass die Sozialleis­tungen noch geringer bleiben müssen. Gäbe es den Niedrigloh­nsektor nicht, funktionie­rte das Kleinhalte­n der Hartz-IVBezieher nicht – und auch die (politisch genehme, weil antreibend­e) Angst der Geringverd­iener vor dem Fall in den Leistungsb­ezug verschwänd­e. Der Einzige, der profitiert, ist der Staat: Er spart Milliarden Euro an Leistungen ein, die den Kleinsten eigentlich eine gute Existenz ermögliche­n sollen.

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