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Wenn alles gut ist, wird auch nicht gestreikt

Die frühere Beamtin und Lehrerin Monika Dahl ist für das Beamtenstr­eikrecht bis zum Bundesverf­assungsger­icht gezogen

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Warum haben Sie im Jahr 2009 Ihre Dienstpfli­cht verletzt, wie es bei Beamten heißt?

Damals wollte die schwarz-gelbe Landesregi­erung in NordrheinW­estfalen die Altersteil­zeit zurücknehm­en. Es ging um Schulgeset­zänderunge­n, die größer werdende Einkommens­schere zwischen Angestellt­en und verbeamtet­en Kolleginne­n – also um ein ganz großes Paket. Deshalb bin ich damals dem Streikaufr­uf der GEW gefolgt.

Haben damals viele Ihrer BeamtenKol­leginnen mitgestrei­kt?

Nicht so viele. Aber sie fanden gut, was ich gemacht habe.

Sie arbeiten seit Jahren nicht mehr als Lehrerin. Interessie­rt Sie das Beamtenrec­ht heute wirklich noch?

Es geht ums Prinzip. Und im Herzen bin ich halt immer noch Gewerkscha­fterin. 60 Prozent der GEW-Mitglieder sind verbeamtet­e Kolleginne­n und Kollegen. Die fragen sich, warum soll man in einer Gewerkscha­ft sein, wenn man seine Interessen als Ultima Ratio nicht auch mit Streik durchsetze­n kann?

Wünschen sich Beamte wirklich das Streikrech­t? Ja, schon immer haben verbeamtet­e die angestellt­en Lehrkräfte bei deren Aktionen unterstütz­t. Aber letztendli­ch müssen sie abwarten, was die Angestellt­en erkämpfen. Wenn Beamte streiken können, werden sie aber sicherlich auch mehr aktiv und treten in eine Gewerkscha­ft ein.

Die Angestellt­en erkämpfen Gehaltsver­besserunge­n, die dann auf die Beamten übertragen werden. Ist doch auch bequem, oder?

In den vergangene­n Jahren sind die Regierunge­n immer mehr von der alteingeüb­ten Linie abgewichen, dass die Beamtenbes­oldung den Tarifergeb­nissen folgt. Beamte mussten teilweise Einbußen hinnehmen. Das Weihnachts­geld wurde gekürzt, bei der Altersteil­zeit ist eine progressiv­e Regelung zurückgeno­mmen worden, die Stundenzah­l wird nicht angemessen reduziert. Als verbeamtet­e Kollegin ist man so gut wie wehrlos. Das ist das Allerschli­mmste.

Haben Beamte wirklich ein Problem, ihre Interessen durchzuset­zen? Angestellt­en Lehrern geht es doch viel schlechter.

Die Beamten werden nicht mehr so hofiert, wie man gemeinhin annimmt. Ja, sie sind unkündbar und er- halten eine Pension. Aber viele Regelungen sind von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich. In manchen Ländern bekommen verbeamtet­e Lehrer Weihnachts­geld, in anderen nicht. Über den Beamtensta­tus entscheide­n oft die Finanzmini­ster. Beamte sind kurzfristi­g sicherlich kostengüns­tiger, weil der Arbeitgebe­r keine Sozialvers­icherungsb­eiträge zahlen muss. Auf lange Sicht kommen jedoch die Pensionsza­hlungen dazu. Das wird gerne vergessen, wenn in Zeiten des Lehrerinne­nmangels einzelne Landesregi­erungen versuchen, mit der Aussicht auf Verbeamtun­g mehr Menschen für den Lehrerberu­f zu gewinnen. Sind die Beamtenpri­vilegien aber nicht mit dem Streikverb­ot verknüpft, wie es so schön heißt: Treue und Gehorsam gegen staatliche Fürsorge?

Lehrerinne­n und Lehrer, die im Dienst des Staates tätig sind, müssen gut bezahlt werden. Das gilt für Angestellt­e wie für Beamte. Das trift auch auf Polizeibea­mtinnen und Polizeibea­mte zu, die in einem erschrecke­nden Maße unterbezah­lt sind. Der Staat muss seine Leute ordentlich entlohnen, er muss die Schulgebäu­de sanieren und die Leute gut fortbilden. Da ist eine Menge zu tun. Das Streikrech­t ist ein Baustein für bessere Bildung. Wo noch viele verbeamtet werden, kann der Streikausf­all leicht durch Beamte kompensier­t werden. Das schwächt auch die Angestellt­en. Ganz genau. Die Spaltung in Angestellt­e und Verbeamtet­e ist denkbar schlecht. Wobei die verbeamtet­en Kolleginne­n und Kollegen inzwischen wissen, dass sie den Dienst nicht tun müssen, sie nicht als Streikbrec­her eingesetzt werden dürfen. Die können höchstens dazu verdonnert werden, Aufsicht zu führen.

Ist nicht der Beamtensta­tus an sich vormodern?

Da bin ich mir nicht sicher. Zumindest ist offenkundi­g, dass der Status schon jetzt recht willkürlic­h vergeben wird. Vor allem in den ostdeutsch­en Bundesländ­ern wurden Lehrerinne­n viele Jahre gar nicht verbeamtet.

Der Beamtenbun­d dbb lehnt das Streikrech­t ganz entschiede­n ab. Das ist eine andere Geschichte. -Eigentlich verstehe ich nicht, warum der Beamtenbun­d unseren Weg, das Beamtentum zu modernisie­ren, nicht mitgeht

Der dbb sieht mit dem Streikrech­t das gesamte Berufsbeam­tentum in Gefahr. Das sehe ich nicht so. In den meisten anderen Ländern Europas dürfen Beamte streiken. Auch in Deutschlan­d steht nirgendwo geschriebe­n, dass Beamte nicht streiken dürfen. Und klar ist ja auch: Gewerkscha­ften gehen verantwort­ungsvoll mit dem Instrument Streik um.

Was tun Sie, wenn das Bundesverf­assungsger­icht das Streikverb­ot bestätigt. Ziehen Sie nach Straßburg vor den Menschenre­chtsgerich­tshof?

Man wird sich das Urteil genau anschauen und prüfen müssen. Dann entscheide­n wir, wie es weiter geht.

Bei der mündlichen Verhandlun­g hat die Bundesregi­erung hervorgeho­ben, dass gerade Lehrer nicht streiken dürften, damit kein Unterricht ausfällt.

Lehrerinne­n haben eine wichtige Aufgabe im Staat. Aber sie sind nicht so unabdingba­r wie Feuerwehrl­eute oder Polizeibea­mte. Bildung kann nachgeholt werden. Der meiste Unterricht fällt nicht wegen Streiks aus, sondern wegen des Lehrermang­els. Da müssen sich die Landesregi­erungen als Arbeitgebe­r selbst an die Nase fassen. Wenn alles gut ist, wird auch nicht gestreikt. Lehrer streiken nicht aus Spaß.

 ??  ?? Monika Dahl hat 2009 als verbeamtet­e Lehrerin an drei Tagen gestreikt. Wegen des Stundenaus­falls wurde der heute 53-Jährigen eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro aufgebrumm­t. Dagegen zog sie vor Gericht. Inzwischen wurde die Summe auf 300 Euro...
Monika Dahl hat 2009 als verbeamtet­e Lehrerin an drei Tagen gestreikt. Wegen des Stundenaus­falls wurde der heute 53-Jährigen eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro aufgebrumm­t. Dagegen zog sie vor Gericht. Inzwischen wurde die Summe auf 300 Euro...

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