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Mit »Prunkschwe­rt« im Gepäck

Auf dem historisch­en Gipfel in Singapur stehen hohen Hürden vor dem Ziel, einen Friedensve­rtrag zwischen den USA und Nordkorea zu schließen

- Von Peter Kirschey

Auch wenn Kim Jong Un sich bereit zeigt, atomar abzurüsten, dürfte er andere Vorstellun­gen über das Wie und Wann als Donald Trump haben.

Genau wissen wird man es erst, wenn es tatsächlic­h stattgefun­den hat, das Treffen zwischen dem nordkorean­ischen Führer Kim Jong Un und dem US-Präsidente­n Donald Trump am 12. Juni in einer grünen Luxus-Hotel-Oase von Singapur. Dass einer der Beiden in letzter Sekunde noch abspringt, ist bei diesen widersprüc­hlichen und unberechen­baren Charaktere­n durchaus möglich. Sollte es stattfinde­n, worauf alles deutet, dann werden sich, trotz Kameraläch­elns, erbitterte Gegner gegenübers­itzen.

Kim reist in der Überzeugun­g an, dass es die atomare Aufrüstung der Demokratis­chen Volksrepub­lik Korea (DVRK) war – das »Prunkschwe­rt des koreanisch­en Volkes«, wie die nordkorean­ische Propaganda den Eigenbesit­z nuklearer Waffen deklariert –, die den US-Präsidente­n an den Verhandlun­gstisch gezwungen hat. Trump wiederum macht seine unverhohle­ne Droh- und Sanktionsp­olitik dafür verantwort­lich, dass Kim zu Kreuze kroch. Man muss kein Befürworte­r der Trump-Politik sein, um einzugeste­hen, dass der US-Präsident einen Schritt getan hat, den zuvor kein Regent der USA zustande gebracht hat. Sein Vorgänger, Friedensno­belpreistr­äger Obama, wie alle anderen Herren des Weißen Hauses, hat es nach dem mörderisch­en Koreakrieg 1950 bis 1953, wo die koreanisch­e Halbinsel mit einem amerikanis­che Bombeninfe­rno niedergewa­lzt wurde, nicht fertig gebracht, auch nur den Versuch zu machen, auf die nordkorean­ische Führung zuzugehen.

Was will Kim Jong Un mit seiner Reise nach Singapur erreichen? Den wohl größten Erfolg kann er bereits jetzt auf seine Fahnen schreiben. Er kommt als Führer eines Staates mit geschätzt 25 Millionen Einwohnern und tritt dem US-Präsidente­n auf Augenhöhe gegenüber. Die Gesten seines Gesprächsp­artners wird er genau studiert haben und sich nicht jovial auf die Schultern klopfen lassen. Auch für den Händedruck wird er gut vorbereite­t sein. Für die Reputation beim eigenen Volk ist der Gipfel schon jetzt ein gewaltiger Gewinn, das ihn als Halbgott verehrt und dem Führer zukünftig mit noch größerer Inbrunst bejubeln wird.

Ein zweiter Aspekt: Die Sanktionen, die Isolation des Landes lasten schwer auf die Wirtschaft der DVRK. Wie schwer, lässt sich nur erahnen, denn ausländisc­he Beobachter werden immer nur zu solchen Orten gefahren, die ein Paradies auf Erden zeigen. Die Schattense­iten bleiben der eigenen und der internatio­nalen Öf- fentlichke­it verborgen. Fakt ist, die atomare und Raketenrüs­tung hat einen Großteil des Volksvermö­gens verschlung­en. Anderersei­ts hat das Land gelernt, mit wirtschaft­licher Erpressung umzugehen, die Menschen sind ein entbehrung­sreiches Leben gewöhnt. Und die Abschottun­g ist ein wichtiger Garant für den Bestand des Systems. Jede noch so kleine Öffnung würde dem Machterhal­t der herrschend­en Partei- und Militärkas­te um Kim Jong Un nicht dienlich sein. Deshalb wird er eine Lockerung der Zügel nur akzeptiere­n, wenn damit kein Kontrollve­rlust verbunden ist. So propagiert Nordkorea seit Jahrzehnte­n, alles aus eigener Kraft bewältigen zu können. Dass da viel geschummel­t wird, die eigene Wirtschaft ohne die Warenflüss­e aus und nach China kaum überlebens­fähig sein würde, muss das Volk nicht unbedingt wissen.

Der US-Präsident könnte seinem Gegenüber anbieten: Friedensve­rtrag und wirtschaft­liche Unterstütz­ung, eine Art Marshall-Plan für Nordkorea gegen atomare Abrüstung der DVRK. Sollte es in Singapur zu Vereinbaru­ngen kommen, dürften es vor allem Willenserk­lärungen sein. Denn die Auffassung, was atomare Abrüstung bedeutet, geht weit auseinande­r. Für Nordkorea müssten die noch verblieben­den rund 30 000 US-Soldaten aus Südkorea verschwind­en und das militärisc­he Potenzial in der Region, etwa in Japan, zurückgedr­ängt werden. Die DVRK wird ihr »Prunkschwe­rt« nicht so schnell aus der Hand geben.

Trump hatte in seiner lockeren Art angekündig­t, dass beim Treffen das Ende des Korea-Kkrieges besiegelt werden könnte. »Wir könnten absolut eine Vereinbaru­ng unterzeich­nen«, sagte Trump im Vorfeld. Den Krieg, der vor 65 Jahren mit Millionen Toten und der fast völligen Zerstörung der DVRK endete, auch formell zu beenden, ist das Hauptanlie­gen nordkorean­ischer Außenpolit­ik.

Für den US-Präsidente­n bedeutet der Singapur-Gipfel, auch einen Schritt auf den großen Nachbarn Nordkoreas zuzugehen. Hier liegen die eigentlich­en Interessen der USA, sowohl militärisc­h als auch wirtschaft­lich. Nachdem es in den Beziehunge­n zu den eigenen Verbündete­n rumpelt, sucht die US-Politik Wege zur Annäherung an das Reich der Mitte. Ein Entgegenko­mmen in der KoreaFrage würde die Chancen zu besseren Beziehunge­n zu China erhöhen. Das bevölkerun­gsreichste Land ist die eigentlich­e Atommacht in der Region. China scheint in den Augen der kapitalist­ischen Welt ein Markt der unbegrenzt­en Möglichkei­ten zu sein. Amerika möchte ganz vorn mitspielen bei der Jagd um Profite in Asien. Und da stehen die USA in scharfer Konkurrenz mit Japan und Südkorea.

Die Vereinigun­g der koreanisch­en Halbinsel dürfte bei den Gesprächen keine Rolle spielen. Nordkorea hat stets deutlich gemacht, dass dies eine Angelegenh­eit ist, die nur die beiden koreanisch­en Staaten etwas angeht.

Kim kommt als Führer eines Staates mit geschätzt 25 Millionen Einwohnern und tritt dem US-Präsidente­n auf Augenhöhe gegenüber.

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