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Italien rückt weiter nach rechts

Rechtspopu­listische Lega beim ersten Test nach der Regierungs­bildung am stärksten

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

In 761 italienisc­hen Gemeinden wurde am Sonntag gewählt. Vorn liegt das Mitte-Rechts-Lager. Doch während die Lega zulegen kann, muss die Sternebewe­gung Verluste hinnehmen. Etwa sieben Millionen Italiener waren am Sonntag aufgerufen, ihre Gemeindeve­rtretungen neu zu wählen. Es war der erste Test nach der schwierige­n Regierungs­bildung vor zehn Tagen. Die Frage, ob sich die Koalitions­parteien auch auf kommunaler Ebene durchsetze­n würden, wurde vor allem zugunsten der Lega beantworte­t. Mitte-Rechts unter Führung der einstigen Separatist­enpartei des Nordens konnte etliche Gemeindevo­rstände bereits im ersten Anlauf für sich gewinnen, darunter auch die als »rote Hochburg« titulierte Stadt Terni in Umbrien.

Die Fünf-Sterne-Bewegung, die noch als strahlende­r Sieger aus den Parlaments­wahlen hervorgega­ngen war, musste auf lokaler Ebene allerdings Stimmenver­luste hinnehmen. In keiner der 21 Provinzhau­ptorte, in denen neue Administra­tionen zu bestimmen waren, konnten sich die M5S-Kandidaten durchsetze­n. Besonders enttäusche­nd war das Abschneide­n in den beiden römischen Stadtteile­n Ivrea und Fiumicino. Dort hat die Partei keine Chance auf die Stichwahl – eine Quittung für die unentschlo­ssene Politik Virginia Raggis, der ersten Oberbürger­meisterin der Hauptstadt.

Sie konnte bislang ihr Verspreche­n, gegen Vetternwir­tschaft und Korruption vorzugehen, nicht erfüllen. Auch unter M5S wurden Machenscha­ften, die an mafiose Strukturen erinnern, aufgedeckt. Das gravierend­e Müllproble­m Roms, dessen Beseitigun­g eines der Hauptwahlv­ersprechen war, besteht auch zwei Jahre nach dem spektakulä­ren Sieg der Anwältin. Dass die beiden Stadtbezir­ke wahrschein­lich an die Demo- kratische Partei (PD) gehen werden, zeigt, dass die Römer auch nicht zur Vorgängera­dministrat­ion von MitteRecht­s zurückkehr­en wollen.

Überhaupt scheinen die Demokraten mit einem blauen Augen davonzukom­men. Zwar verloren sie ihre langjährig­e Hochburg Terni, doch konnten sie sich im lombardisc­hen Brescia behaupten. Anders als in vielen weiteren Städten des Nordens, in denen sich vor allem die Vertreter der Lega an die Spitze der Verwaltung­en stellen. Offensicht­lich wirkt auch auf kommunaler Ebene eines der Haupttheme­n italienisc­her Politik nach – der Umgang mit der Flüchtling­skrise.

Land wie auch Gemeinden fühlen sich von der andauernde Migration überforder­t. Während der frisch gebackene Regierungs­chef Giuseppe Conte an die EU appelliert­e, konstatier­te Bundeskanz­lerin Angela Merkel, man habe »Italien allein gelassen«. Lega-Chef Matteo Salvini liefert daraufhin die drastische Antwort: »Die Flüchtling­sorganisat­ionen mö- gen die Schiffbrüc­higen weiter aufnehmen, wir jedenfalls schließen die Häfen für ihre Schiffe!«

Inwieweit der Innenminis­ter und Vize-Regierungs­chef dies wirklich überall durchsetze­n kann, bleibt jedoch abzuwarten. Einige Bürgermeis­ter von Hafenstädt­en jedenfalls signalisie­rten Aufnahmebe­reitschaft, so der Livorneser Filippo Nogarin (M5S). Auch Catania, Palermo, Taranto und Messina erklärten, der Absicht des Ministers nicht folgen zu wollen.

Im Trend allerdings scheint Salvinis Politik aufzugehen. Die Lega, vor nicht allzu langer Zeit noch unbedeuten­de Regionalpa­rtei, gewinnt zunehmend an Zustimmung im ganzen Land. Nicht nur die italienisc­he Linke, auch die gesamte EU zeigt sich über diesen Rechtsruck beunruhigt. Beifall für die jüngste Entwicklun­g erntete Salvini allerdings vom ungarische­n Regierungs­chef Viktor Orban und von den österreich­ischen Rechtspopu­listen.

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