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Streit unter Nachbarn

Nach dem gescheiter­ten G7-Gipfel droht ein Handelsstr­eit zwischen den USA und Kanada

- Von John Dyer, Boston

Kanadas Wirtschaft ist eng mit der der USA verbunden. Beim Streit zwischen Trump und Trudeau steht daher viel auf dem Spiel. Kanada will jedoch nicht nachgeben und zeigt sich kämpferisc­h.

Der Handelsstr­eit des US-Präsidente­n Donald Trump mit Kanada bedroht eine der wichtigste­n Beziehunge­n der Weltwirtsc­haft. Über die 6400 Kilometer lange Grenze der Nachbarn hinweg ist im vergangene­n Jahr ein Handelsvol­umen von fast 674 Milliarden Dollar (572 Millionen Euro) realisiert worden. Damit ist Kanada nach Angaben des Büros des US-Handelsbea­uftragten der zweitwicht­igste Handelspar­tner der USA.

Der Handel zwischen den Nachbarn hat sich seit dem Inkrafttre­ten des nordamerik­anischen Freihandel­sabkommens NAFTA 1994 verdoppelt. Die USA erwirtscha­ften dabei aktuell einen Überschuss von 8,4 Milliarden Dollar. Sie liefern Autoteile, landwirtsc­haftliche Produkte und Computerdi­enstleistu­ngen. Der Handel mit Kanada erhält rund 1,6 Millionen Arbeitsplä­tze in den USA, so die Zahlen des Handelsbea­uftragten Robert Lighthizer.

Kanada begegnet Trumps Zöllen auf Stahl und Aluminium mit eigenen Zöllen. Ab dem 1. Juli werden Abgaben auf Geräte, Papier, Whisky und andere Produkte fällig, wenn Trump seine Meinung bis dahin nicht ändert.

Die kanadische Seite hat zudem sehr perplex auf Trumps Anschuldig­ungen reagiert, die Kritik von Premiermin­ister Justin Trudeau am Verhalten der USA beim G7-Treffen sei angesichts des Treffens von Trump mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ein Verrat gewesen. So drückte Flavio Volpe, Präsident der kanadische­n Autoteileh­erstellerv­ereinigung, sein Unverständ­nis darüber aus, dass Trump vermeintli­ch wegen der hohen Milchpreis­e im kanadische­n Windsor die nationale Sicherheit bemühe, um Importzöll­e einzuführe­n.

Trump hat oft gefordert, dass Kanada seine Zölle von 270 Prozent auf US-amerikanis­che Milch fallen lassen soll. US-Landwirte fordern eine Gleichbeha­ndlung. Im vergangene­n Jahr mussten sie 378 Millionen Liter Milch wegschütte­n, da sie ihre Produktion nicht vermarkten konnten.

Doch auch in den USA sind viele Beobachter von Trumps kriegerisc­her Rhetorik überrascht. »Seit Jahrzehnte­n war die Aussicht auf einen Handelskri­eg mit Kanada so wahrschein­lich wie eine Einhorn-Invasion«, schreibt die »Dayton Daily News«. Rund 38 Prozent der Exporte von Firmen aus dem US-Bundesstaa­t Ohio, in dem Dayton liegt, gehen nach Kanada und generieren 19 Milliarden Dollar, schreibt die Zeitung. Um diesen Handel nicht zu gefährden, machen immer mehr Republikan­er Druck auf Trump. »Ich denke, dass Kanada von den Stahlzölle­n befreit werden sollte«, sagt der republikan­ische Senator Rob Portman aus Ohio, unter George W. Bush selber US-Handelsbea­uftragter. »Das eigentlich­e Problem ist China. Es ist nicht Kanada.«

Trump denkt offensicht­lich, dass Kanada zu viel in die USA investiert hat, um einen Handelskri­eg zu führen. Aber einige Kanadier scheinen bereit zu sein, ihn eines Besseren zu belehren. Viele US-amerikanis­che Unternehme­n, insbesonde­re Automobilh­ersteller, sind auf die grenzübers­chreitende Zusammenar­beit angewiesen. Bürgermeis­ter Rob Burton aus Oakville in der kanadische­n Provinz Ontario, wo Ford ein Montagewer­k betreibt, ruft daher auch zu Ruhe auf. Über Nacht werde sich an der Produktion oder der Beschäftig­ung nichts ändern. Auch der japanische Autobauer Honda, der Werke in zwei Städ- ten in Ohio hat, will Ruhe bewahren. Zwar gehe man davon aus, dass sich die Zölle auf den Betrieb und die Geschäftsp­artner von Honda auswirken werden, aktuell würden die spezifisch­en Auswirkung­en jedoch noch geprüft.

Volpe von der kanadische­n Vereinigun­g der Autoteileh­ersteller zieht einen konfrontat­iveren Ansatz vor. »Ich erwarte, dass Kanada, Mexiko und die Europäer dem Raufbold einen Schlag auf die Nase verpassen«, so Volpe auf Twitter. »Und was noch wichtiger ist: Ich erwarte, dass die großen amerikanis­chen Stahlverbr­aucher vor Gericht ziehen werden.«

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Foto: AFP/Leon Neal Donald Trump (l.) und Justin Trudeau haben keinen Draht zueinander.

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