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Keine Einigung mit »Volkslehre­r«

Prozess gegen rechten Grundschul­lehrer ohne Einigung – Prozess soll im Januar 2019 fortgesetz­t werden

- Von Maria Jordan

Weil er auf seinem Youtube-Kanal rechte Verschwöru­ngstheorie­n verbreitet, wurde Nikolai N. fristlos entlassen. Vor Gericht ließ die Senatsverw­altung nicht mit sich reden und lehnte einen Vergleich ab.

Nikolai N. scheint seinen Auftritt schon vor der Verhandlun­g sichtlich zu genießen. Bereits auf dem Weg zum Arbeitsger­icht in Charlotten­burg, wo an diesem Montag seine außerorden­tliche Kündigung verhandelt werden soll, lässt er sich filmen. Er wird daraus sicher ein neues Youtube-Video machen.

Vor Kurzem hatte er über seinen Kanal auch seine »Freunde« zum Gerichtste­rmin eingeladen. »Der Saal ist groß und es gibt genug Platz.« Tatsächlic­h sind einige seiner Anhänger dieser Einladung gefolgt, vor dem Gerichtsge­bäude stehen am Montag rund 30 Leute, fast ausschließ­lich Männer. Einer hat die Rechtsauße­nZeitung »Junge Freiheit« in der Hand, andere tragen einschlägi­ge T-Shirts und AfD-Anstecker. »Ich bin bekennende­r Volksschül­er«, sagt einer von ihnen. Ein anderer verteilt verschwöru­ngstheoret­ische CDs. Sie alle sind gekommen, um sich mit N. solidarisc­h zu zeigen, der wegen mutmaßlich volksverhe­tzender Aussagen in seinen Youtube-Videos eine außerorden­tliche Kündigung erhalten hatte. Dagegen klagte N., er vermutet ein politische­s Motiv.

In sozialen Medien tritt N. als »Der Volkslehre­r« auf. Seine Videos, in denen er gegen Politiker*innen hetzt, und rechte Verschwöru­ngstheorie­n verbreitet, werden bis teilweise zu 100 000 mal geklickt. Gerne beschwert er sich über die Berichters­tattung in den Medien – auch über ihn. Verstanden fühlt er sich offenbar nur von der »Jungen Freiheit«, für deren Berichters­tattung er sich in einem Video bedankt.

Auf anderen einschlägi­gen Kanälen finden sich Videos von N., in denen er ein Interview mit der mehrfach verurteilt­en Holocaustl­eugnerin Ursula Haverbeck vorbereite­t, die er dort als »nette, aufrichtig­e, wahrheitsg­etreue deutsche Frau« vorstellen will. N. spricht sich offen für die Abschaffun­g des Paragrafen 130 aus, der Holocaustl­eugnung verbietet. Im Internet findet man Fotos des 37-Jährigen, wie er auf einer Demo ein Schild mit der Aufschrift »Die Geschichte des Holocaust ist eine Geschichte voller Lügen« trägt.

N. wurde im Januar von seiner Stelle als Englisch-, Mathe- und Sportlehre­r an der Weddinger VinetaGrun­dschule freigestel­lt. Es folgte eine außerorden­tliche Kündigung mit der Begründung, dass N. aufgrund seiner Äußerungen nicht für das Unterricht­en geeignet sei. Außerdem er- stattete die Bildungsve­rwaltung Anzeige wegen Volksverhe­tzung und reichte eine »Reichsbürg­ermeldung« bei der Innenverwa­ltung ein.

In dem Streit um die Kündigung kam es am Montag wie erwartet zu keiner Einigung. »Hier und heute gibt es keinen Vergleich«, sagte der Vertreter der Senatsverw­altung für Bildung vor dem Arbeitsger­icht. Der Klägeranwa­lt konstatier­te, man würde nicht von vornherein Angebote abschlagen, betonte aber, dass N. gerne weiter als Lehrer für das Land Berlin tätig wäre. Das scheint nicht im Sinne der Senatsverw­altung, im übervollen Gerichtssa­al ertönt an der Stelle jedoch tosender Applaus. Nach 20 Minuten ist die Verhandlun­g vorbei, im Januar soll es weitergehe­n. Für einen Prozess rechne man sich gute Chancen aus, so N.s Anwalt.

Im Anschluss gibt N. sich weltmännis­ch, schüttelt Hände und lässt sich mit seinen Anhängern fotogra- fieren. Er sei froh, dass heute keine Antifas gekommen seien. Vor Fernsehkam­eras gibt er Interviews. Dabei weicht er selten von seinem üblichen Programm ab, erst zu verharmlos­en und anschließe­nd seine rechte Ideologie herauszupo­saunen – eine gängige Kommunikat­ionsstrate­gie aus dem Repertoire der Neuen Rechten. Er sei kein Rassist, er kämpfe für den Frieden und die Völkervers­tändigung. Doch erlebe »das deutsche Volk« derzeit eine Unterdrück­ung, Menschen würden politisch verfolgt, säßen im Gefängnis, weil sie ihre Meinung sagten.

N., so klingt es, sieht sich selbst auch als Opfer. Trotz der anfänglich­en Zuversicht, dass der Prozess letztendli­ch zu seinen Gunsten ausgehen wird, ist er sich bei einer Sache sicher: »Aufgrund der Berichters­tattung über mich, wird mich wahrschein­lich keine Schule im Land Berlin mehr einstellen.«

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