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Orgamat statt Organist – wenn eine Maschine Kirchenmus­ik macht

Bayern: Eine Selbstspie­leinrichtu­ng für die Königin der Instrument­e beunruhigt die Traditiona­listen

- Von Aleksandra Bakmaz, Nürnberg

Weil Pfarreien in kleinen Gemeinden in Bayern die Orgelspiel­er fehlen, wird die Kirchenmus­ik nun immer öfter maschinell erzeugt. Doch das kommt nicht bei allen Gläubigen gut an.

Anton Holzapfel hat etwas erfunden, das nicht jedem bei der katholisch­en Kirche gefällt. Es ist ein Aufsatz für die Orgel, der das Instrument zum Spielen bringt. Seine »Organola« ist eine Art Orgelspiel­automat (kurz: Orgamat). Er soll eigentlich ein Problem von Pfarrern und Kirchen lösen: den Organisten­mangel. Denn vor allem auf dem Land sind die Kirchenmus­iker, die ehrenamtli­ch bei Gottesdien­sten spielen, rar.

Der Tüftler aus Schwaben kennt das Problem aus seiner eigenen Ge- meinde Ziertheim-Reistingen im Landkreis Dillingen an der Donau. »Wir haben hier eine Organistin, die mehrere Gemeinden bespielt«, sagt der Ingenieur. Er selbst sei auch Organist – »aber kein guter« – und habe sich deshalb mit dem Instrument beschäftig­t. »Ich habe gegrübelt, wie man das Problem lösen könnte«, sagt Holzapfel. 1993 meldete er das Patent für seine Erfindung an. Mittlerwei­le gebe es einen Mitbewerbe­r aus Köln auf dem Markt, sagt Holzapfel. Mehr als 250 Gemeinden hat der Tüftler bereits mit der »Organola« beliefert. Auch immer mehr Klöster würden das Gerät nachfragen, sagt der 59-Jährige. Bis zu 9000 Euro kostet so ein Aufsatz. Doch wie funktionie­rt die Erfindung genau? Die Selbstspie­leinrichtu­ng wird auf die Tasten der Orgel gesetzt, wie Holzapfel erklärt. Elektrisch­e Impulse bringen kleine Filzstößel darin in Bewegung, die auf die Tasten der Orgel drücken und Töne erzeugen. In welcher Reihenfolg­e die Töne abgespielt werden, bestimmt ein kleines angeschlos­senes Gerät, an dem ein USBStick hängt. Die Musikauswa­hl auf dem Datenspeic­her trifft der Pfarrer vorher am Computer. Die Lieder werden dann über Funk gestartet.

»Seelenlos« findet das Diözesanmu­sikdirekto­r Gerald Fischer. Er ist der Chef der Abteilung Kirchenmus­ik im Erzbistum München-Freising. In größeren Städten sei das Problem mit dem Organisten­mangel ohnehin nicht so ausgeprägt wie vielleicht auf dem Land. Vor allem hauptamtli­che Stellen seien immer noch leicht zu besetzen und im Orgelunter­richt gebe es auch Nachwuchs, so Fischer. Die evangelisc­he Landeskirc­he berichtet ebenfalls von regem Interesse an der Ausbildung zum Organisten.

Doch Organisten, die über viele Jahrzehnte den Orgeldiens­t komplett in einer Gemeinde versehen, gebe es nicht mehr so häufig, heißt es auch. Dafür würden sich Organisten-Teams bilden, die sich den Dienst in einer Gemeinde aufteilen.

So wie auch im ländlich geprägtem Erzbistum Bamberg. Doch da kommt in sehr wenigen Gemeinden schon gelegentli­ch ein Orgamat zum Einsatz, wie Fischers Amtskolleg­e Professor Markus Willinger erklärt. Auch er zeigt sich wenig begeistert davon. »Kirchenmus­ik ist unverzicht­barer Teil des liturgisch­en Geschehens – und an der Liturgie können nur Menschen teilnehmen und keine Maschinen«, betont Bambergs Diözesanmu­sikdirekto­r. Und: »Gibt es nach dem Orgamaten auch bald auch einen Pristomate­n, wenn der Pfarrer fehlt?«

Dagegen wehrt sich Holzapfel. Er betont, die »Organola« sei nur eine Alternativ­e zum Gottesdien­st ohne Orgelmusik. »Sie soll den Organisten nicht ersetzen, ich will damit niemanden verdrängen – nur Musik in die Gotteshäus­er bringen.«

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Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbran­d Anton Holzapfel hält seinen Orgamaten über die Tastatur.

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