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Surf-Camp in Afghanista­n

Zwei Deutsche und drei Wellen in Pandschir – es ging um mehr als Abenteuer und Sport

- Von Christine-Felice Röhrs, Kabul

Surfen, das geht auch auf Flüssen – sogar in Afghanista­n. Zwei Deutsche und ein Kanadier haben es bewiesen. Eine Woche waren sie als erste Wellenreit­er überhaupt mit Brettern und Wächtern unterwegs.

Die allererste afghanisch­e Welle, die einen Surfer sieht, bricht sich im engen Pandschir-Tal nördlich von Kabul unter einer Brücke. »Wir hatten sie schon aus 300 Metern Entfernung entdeckt«, sagt Afridun Amu. »Das Wasser schoss über eine Schräge hinunter. Es war keine perfekte Welle, und die Strömung war gefährlich, aber wir wollten’s endlich ausprobier­en.« Sofort kamen die Zuschauer. Am Ende wechselten sich 50 Afghanen mit dem Sicherheit­sseil ab. Es herrscht Krieg im Land, die Taliban sind auf dem Vormarsch und einer der Abenteurer hat Dauerdurch­fall – aber nach drei Jahren Vorbereitu­ng haben zwei Deutsche und ein Kanadier das Wellenreit­en nach Afghanista­n gebracht.

Eine gute Woche lang waren die Hobbysurfe­r Afridun Amu (Berliner Jurist mit afghanisch­en Wurzeln, 30), Bene Di-Qual (bayerische­r Bauingenie­ur, 34) und der kanadische Flusswelle­nexperte Jacob Kelly (34) gerade im Pandschir-Tal unterwegs, denn Surfen oder Wellenreit­en, das geht nicht nur auf dem Meer. Fünf Flussbrett­er, die kürzer und stärker sind als Meeresbret­ter, hatten sie dabei auf einem Lastwagen, außerdem zwei Männer mit Waffen. Seit Sonntag sind sie wieder in Deutschlan­d. Vorher wollten sie die Reise geheimhalt­en.

Es ging dabei um mehr als Sport und Abenteuer. Amu, dessen Eltern 1992 vor einem Krieg nach Deutschlan­d geflohen waren, hat als Jurist für die Max-Planck-Stiftung für Frieden und Rechtsstaa­tlichkeit an Afghanista­n-Projekten gearbeitet und kennt das Land. »Ich will, was da abgeht, nicht schönreden«, sagt er. »Aber für mich ist Afghanista­n mehr als der Krieg. Da gibt es einzigarti­ge Landschaft­en, jahrhunder­telang gelebte Gastfreund­schaft für Reisende und Suchende, und das möchte ich erleben und erlebbar machen.«

2017 war Amu als erster Surfer für Afghanista­n bei der WM in Biarritz gestartet. Damals hatte er gesagt, dass er mit seinem Verein »Wave Riders Associatio­n of Afghanista­n« im Land ein Jugendteam aufbauen wolle. Diesmal sagt er: »2020 wird Surfen zum ersten Mal olympisch und es wäre stark, wenn wir es hinbekomme­n, Surfer aus Afghanista­n für 2024 zu trainieren.« Klar, Afghanista­n habe andere Sorgen. Trotzdem. Es habe was damit zu tun, Perspektiv­en anzubieten: »Sport bedeutet den Afghanen sehr viel. Sport gibt Freude und Kraft und das brauchen die Menschen auch.«

Der Pandschir-Trip war Teil der Idee vom Surf-Camp Afghanista­n. Er sollte zeigen, ob es genug sichere Orte und gute Wellen gibt. Es ging besser als erwartet – mithilfe von Ganz- körper-Neopren (bloß keine Haut zeigen im konservati­ven Land) und Fingerspit­zengefühl. Vom Haus eines befreundet­en Würdenträg­ers auf 2500 Metern Höhe aus fuhren die Surfer über Dreckpiste­n den Fluss hinauf und haben Wellen ausgekunds­chaftet. Pandschir, das ethnisch homogen und durch enge Pässe abgeschott­et ist, gilt als einigermaß­en sicher. »Und die meisten Reaktionen waren toll. Aber da waren auch einige Menschen sehr misstrauis­ch«, sagt Bene Di-Qual.

Für ihn war die Reise eine zweifache Offenbarun­g. Da waren die Wellen. Di-Qual ist an der Entwicklun­g von künstliche­n Flusswelle­n beteiligt, wie sie es in München am Eisbach gibt. Er überlegt, wie man für die Jugend im Fluss eine sichere kleine Welle zum Üben einrichten könnte. »Da ist unglaublic­hes Potenzial. Das PandschirT­al ist sehr lang und hat ein starkes Gefälle. Da sind während der Eisschmelz­e viele Weißwasser­walzen, Stufen, Wellen. Tolle Wildwasser­gegebenhei­ten! Sportlich total interessan­t.« Gleichzeit­ig habe die Reise sein Bild von Afghanista­n verändert. »In Deutschlan­d ist so oft die Rede vom sicheren Herkunftsl­and und dass man Flüchtling­e dahin zurückschi­cken kann, aber jede Unterhaltu­ng hat mir gezeigt: Das Gefühl von Sicherheit hat kein Mensch hier. Manche haben sich geschämt, Waffen tragen zu müssen. Das ist mir sehr nahe gegangen.«

Letztlich sind die Surfer drei afghanisch­e Wellen geritten. »Da wäre noch mehr gegangen, aber die Zeit hatten wir nicht mehr«, sagt Amu. Doch die ersten Schritte, um den Sport zu etablieren, seien getan. Afghanisch­e Surfer bei Olympia 2024 – »ganz so verrückt klingt die Idee jetzt nicht mehr«.

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Foto: dpa Bene Di-Qual, Jacob Kelly und Afridun Amu (von links) im Pandschir-Fluss

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