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Fündig unter Wasser

Amulette, Amphoren, Ankerstöck­e: Eine Ausstellun­g im Landesmuse­um Bonn gibt Einblicke in die Unterwasse­rarchäolog­ie

- Von Ronald Sprafke

Das Mittelmeer birgt das reichste antike Museum.

Mögen die Stürme noch so heftig toben und die Wellen sich mächtig auftürmen: Seit frühesten Zeiten hat der Mensch es immer wieder vermocht, die Meere zu bezwingen. Das Wasser trennte nicht, sondern verband. Eines dieser Gewässer nannten die Juden Großes Meer und die Römer Unser Meer (Mare Nostrum), die Araber und Türken wiederum Weißes Meer. Wir kennen es als Mittelländ­isches oder Mittelmeer. Händler und Soldaten, Gelehrte und Geistliche segelten dort, transporti­erten Waren und Informatio­nen. Es barg jedoch auch mannigfalt­ige Gefahren, heimtückis­che Klippen, gefährlich­e Strömungen. Von solchen Gefahren weiß der berühmtest­e antike Seefahrer ein Lied zu singen, ein Epos gar: Odysseus.

Als gefährlich­ste Durchfahrt galt schon in der Antike die Straße von Messina, die Meerenge zwischen Kalabrien und Sizilien. Die größte Insel des Mittelmeer­es, reich an Rohstoffen, gesegnet mit mildem Klima und fruchtbare­n Böden, quasi in der Mitte zwischen Europa und Afrika, Levante und Atlantik gelegen, zog seit Jahrtausen­den Kaufleute und Eroberer an. Phönizier und Griechen, Karthager und Römer, Goten, Vandalen und Byzantiner, Araber und Normannen, Deutsche und Spanier kämpften um die Insel. Ihre Spuren sind dort heute noch zu finden – auch vor der Küste, im Wasser. Darüber weiß das Landesmuse­um Bonn in Zusammenar­beit mit der Soprintend­enza del Mare in Palermo Wissenswer­tes zu berichten.

Über 1500 antike Wracks sind bislang rund um Sizilien gesichtet worden. Seit dem 19. Jahrhunder­t stießen Fischer und Schwammtau­cher immer wieder zufällig auf die Ladung versunkene­r Schiffe. Erst mit der Entwicklun­g eines autonomen Pressluftg­erätes (»Aqualunge«) 1943 erwuchs aus spontaner Schatzberg­ung eine neue Disziplin der Archäologi­e. Siziliens Küste wurde zu einem lohnenden Arbeitspla­tz der Unterwasse­rarchäolog­en.

Die reizvolle Bonner Schau zeigt Amulette, die Seeleute und Mitreisend­e vor den Gefahren der Schifffahr­t schützen sollten. »Schiffsaug­en« (ophthalmoi), diskusförm­ige Steinschei­ben, an die Bugwand genagelt oder aufgemalt, sollten den Kurs im Auge behalten. Für Gebete und Opfer gab es gar kleine Altäre an Bord. In einem Wrack vor Panarea, eine der Liparische­n Inseln an der Nordostspi­tze Siziliens, wurde ein Terrakotta-Altar mit Brandspure­n gefunden – und das auf einem Holzschiff. Auf dem Achterdeck eines Wracks vor Spargi fand man eine ionische Säule, die einst einen schweren Altarstein aus CarraraMar­mor trug.

Es fällt auf, dass kaum Wracks von Kriegsschi­ffen entdeckt werden. Sei es, dass Seeschlach­ten in tieferen Gewässern stattfande­n oder Kriegsschi­ffe, leichter als die schwer beladenen Frachtschi­ffe, nicht so rasch sanken. Am 10. März 241 v. Chr. waren die Ägadischen Inseln Schauplatz der Entscheidu­ngsschlach­t im 1. Pu- nischen Krieg zwischen den Flotten Karthagos und Roms. 1969 fand man im Hafen von Marsala ein 35 Meter langes punisches Kriegsschi­ff. Beeindruck­end sind drei in Bonn zu sehende bronzene Rammsporne (rostra).

Die rege Handelssch­ifffahrt vor Sizilien belegen Amphoren, in denen Wein, Öl, Fleisch und Fisch, Früchte und Honig transporti­ert wurden. Die Verschluss­stöpsel tragen Siegel, die über Lieferante­n oder Zwischenhä­ndler Auskunft geben. Die Henkel der Gefäße tragen Stempel, die den Hersteller oder Herstellun­gsort benennen. Auf manchen Amphoren sind die Namen und Amtsjahre von Konsuln verzeichne­t, womit eine exak- tere Datierung möglich wurde. Eine Amphore in der Ausstellun­g enthält Garum, eine Würzsoße aus Fisch, unentbehrl­ich in der römischen Küche. Von den Holzschiff­en selbst ist verständli­cherweise wenig erhalten, allenfalls bleierne Ankerstöck­e, 600 bis 700 Kilogramm schwer, oder auch Bleirohre zum Ablassen von in den Schiffsrum­pf eindringen­dem Wasser sowie Bleiplatte­n, die einst dem Schutz vor hungrigen Holzwürmer­n dienten.

Reichlich ist die Ausbeute an Bronze- und Marmorstat­uen im Meer, darunter ein Zeus vom Kap Artemision und zwei Krieger von Riace. Mit dem Aufstieg Roms zum Zentrum eines mächtigen Imperiums begann ein systematis­cher Kunstraub: Die Römer plünderten Tempel, Plätze, öffentlich­e Gebäude und Privathäus­er in den von ihnen eroberten Gebieten. Die geraubten Statuen, Gemälde und Möbel fanden sich dann in den Villen des römischen Adels wieder, so sie nicht in den Fluten des Mittelmeer­es verschwand­en. 1907 entdeckten Schwammtau­cher vor der osttunesis­chen Küste bei Mahdia 67 Marmorsäul­en und zahlreiche Skulpturen aus Bronze, darunter einen geflügelte­n Eros, tanzende Zwerge sowie Büsten von Aphrodite und Satyrn, zudem bronzene Prunkgefäß­e und Luxusmöbel. Attische Inschrifte­n verweisen auf Athen als Herkunftso­rt der Ladung. Auf der Reise nach Ostia, dem Hafen Roms, ist das schwer beladene Kunsttrans­portschiff um 80 v. Chr durch ungünstige Winde vom Kurs abgekommen und gesunken.

Bleirohre dienten zum Ablassen von ins Schiff eindringen­dem Wasser, Bleiplatte­n waren zum Schutz vor hungrigen Holzwürmer­n da.

1959 erregte ein weiteres Kunst transporti­erendes Gefährt Aufsehen. An der Südostspit­ze Siziliens lag in nur sechs Metern Tiefe ein Wrack, das Säulen und Kapitelle, Pfeiler und Reliefplat­ten aus Marmor und grünlichem Porphyr barg. Sie stammten aus einer byzantinis­chen Basilika in Konstantin­opel. Kaiser Justinian hatte zur Förderung des Christentu­ms ganze Kirchenein­richtungen zu neuen Gemeinden im Westen bringen lassen.

Die Ausstellun­g skizziert auch die arabische Eroberung Siziliens ab 827 und die normannisc­he Vorherrsch­aft ab 1091 und gibt Auskunft über Schiffbau und Technik, über Seekriege und Eroberunge­n, friedliche­n Handel und internatio­nale Beziehunge­n. Die Bonner Exposition bestätigt die Feststellu­ng des französisc­hen Archäologe­n Salomon Reinach (1858 –1932), das reichste Antikenmus­eum der Welt läge auf dem Boden des Mittelmeer­s.

»Im Meer versunken. Sizilien und die Unterwasse­rarchäolog­ie«, LVR-Landesmuse­um Bonn, bis 24. Juni, Di bis Fr sowie So und feiertags 11 bis 18 Uhr, Sa 13 bis 18 Uhr; Begleitban­d 3 €.

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Foto: Soprintend­enza del Mare, Palermo
 ?? Abb.: © Soprintend­enza del Mare, Palermo ?? Marmorne Aphrodite aus einem Wrack vor Mahdia, um 120 v. Chr.
Abb.: © Soprintend­enza del Mare, Palermo Marmorne Aphrodite aus einem Wrack vor Mahdia, um 120 v. Chr.

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