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Eine Milliarde – VW tut Geldbuße

Konzern einigt sich mit Justiz in Verfahren zu Abgasmanip­ulationen / Autoexpert­en beraten Ministeriu­m

- Von Kurt Stenger

Unglaublic­h, aber wahr: Volkswagen zahlt wegen des Abgasskand­als ein Ordnungsge­ld an das Land Niedersach­sen. Dieses will das Geld für sich haben.

Wohin nur mit dem plötzliche­n Geldsegen? Nachdem sich die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig am Mittwochab­end mit dem VWKonzern auf die Zahlung einer Geldbuße von einer Milliarde Euro geeinigt hatte, berät die Landesregi­erung Niedersach­sens nun über die Verwendung der Mittel. Rot-Schwarz will einen Vorschlag für die anstehende­n Haushaltsb­eratungen ausarbeite­n und geht davon aus, dass die Einnahmen nicht für den Länderfina­nzausgleic­h zu berücksich­tigen sind. Dagegen meint der Grünen-Abgeordnet­e und Ex-Umweltmini­ster Stefan Wenzel, dass das Geld sehr wohl in den Länderfina­nzausgleic­h fließen muss – für Nie- dersachsen würden »rechnerisc­h zehn Prozent zurückblei­ben«.

Hintergrun­d sind die Abgasmanip­ulationen bei Millionen Dieselfahr­zeugen des Wolfsburge­r Konzerns. Die Braunschwe­iger Staatsanwä­lte kamen zu dem Schluss, dass der Autobauer seine Aufsichtsp­flichten in der Abteilung Aggregate-Entwicklun­g im Zusammenha­ng mit den Fahr- zeugprüfun­gen verletzte. Die Geldbuße setzt sich aus der gesetzlich­en Höchstsumm­e von fünf Millionen Euro sowie einer »Abschöpfun­g wirtschaft­licher Vorteile« in Höhe von 995 Millionen Euro zusammen. Die Zahlung soll binnen sechs Wochen erfolgen. Volkswagen teilte mit, man bekenne sich damit »zu seiner Verantwort­ung für die Dieselkris­e«.

Juristisch ist für VW das Thema in Deutschlan­d damit aber noch lange nicht beendet. So laufen strafrecht­liche Ermittlung­en gegen 49 Einzelpers­onen, darunter Ex-VW-Chef Martin Winterkorn. Außerdem wollen Tausende Dieselauto­besitzer in Zivilklage­n Entschädig­ungen erstreiten; bisherige Urteile fielen mal so, mal so aus. Und Anleger verlangen zehn Milliarden Euro Schadeners­atz wegen aus ihrer Sicht zu später Informieru­ng über die Manipulati­onen.

Auch wenn die Autokonzer­ne in Deutschlan­d inzwischen etwas härter angefasst werden – ihr Einfluss auf die Politik bleibt groß. So besteht eine fünfköpfig­e Expertenko­mmission des Bundesverk­ehrsminist­eriums aus Wissenscha­ftlern, die allesamt lange Jah- re für die Autoindust­rie gearbeitet oder in deren Auftrag geforscht haben. Dies ergaben Recherchen des Bayerische­n Rundfunks. Die Runde kam in einer Kurzstudie zu dem Ergebnis, dass die von den Autokonzer­nen abgelehnte­n Hardware-Nachrüstun­gen von Dieselfahr­zeugen technisch komplizier­t und teuer seien. An diesem Freitag gibt es neue Expertenbe­ratungen zu dieser Frage im Ministeriu­m.

Juristisch ist für VW das Thema in Deutschlan­d damit aber noch lange nicht beendet.

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