nd.DerTag

Europa auf den Kopf gestellt

Auch wenn die CSU es will: Eine strikte Einreisere­gelung wäre rechtlich kaum möglich

- Sot

Der Vorschlag von Horst Seehofer (CSU) klingt simpel. Flüchtling­e sollen erst gar nicht ins Land gelassen werden, wenn sie bereits einem anderen EU-Staat registrier­t sind. Der Bundesinne­nminister beruft sich dabei auf das Dublin-III-Abkommen der EU. Für die Durchführu­ng eines Asylverfah­rens ist nämlich jenes Land zuständig, das die Flüchtling­e zuerst aufgenomme­n hat. In der Praxis würde die Umsetzung des CSUPlans eine Rückkehr zu nationalen Grenzkontr­ollen führen. Die Idee von offenen Binnengren­zen wäre damit gescheiter­t.

Nach europäisch­em Recht wären Zurückweis­ungen an der Grenze allerdings nur dann möglich, wenn das Nachbarlan­d – etwa Österreich oder Polen – dem zustimmt und die Flüchtling­e aufnimmt. Ansonsten wären die Geflüchtet­en ohne Aufenthalt­srecht – und damit auch ohne Rückkehrve­rfahren.

Die Menschenre­chtsorgani­sation Pro Asyl befürchtet in diesem Fall einen Dominoeffe­kt – dass ein Staat nach dem anderen die Geflüchtet­en abweist und niemand mehr willens ist, die Fluchtgrün­de von Schutzsuch­enden in einem rechtsstaa­tlichen Verfahren zu prüfen.

Dabei gibt es zwingende Gründe, Asylsuchen­de einreisen zu lassen und ihr Gesuch zuzulassen. Denn gemäß dem Dublin-III-Abkommen gilt noch vor der Regelung zur Ersteinrei­se, auf die sich Seehofer beruft, die Herstellun­g der Familienei­nheit. Pro Asyl verweist diesbezügl­ich auf die Situation von unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en. Für sie ist nämlich derjenige Staat zuständig, in dem sie sich gerade befinden oder in dem sich ihre Familienmi­tglieder aufhalten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany