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Mazedonien ohne Wenn und Aber

Präsident Ivanov droht, Namensände­rung zu Republik Nord-Mazedonien zu kippen

- Von Elke Windisch, Dubrovnik

Das Abkommen zum Namenskomp­romiss zwischen Mazedonien und Griechenla­nd sollte am Wochenende unterzeich­net werden. Inzwischen ist das aber fraglich. »Wir lassen uns die europäisch­e Zukunft Mazedonien­s von niemanden kaputt machen!« Regierungs­chef Zoran Zaev stand der helle Zorn ins Gesicht geschriebe­n, als er Mittwochna­chmittag das Kabinett von Staatspräs­ident Đorđo Ivanov verließ. Die Unterredun­g hatte keine zwei Minuten gedauert. Kein gutes Omen für den historisch­en Kompromiss, den Zaev am Vortag mit seinem griechisch­en Amtsbruder Alexis Tsipras perfekt gemacht hatte, um den 25jährigen Namensstre­it mit dem südlichen Nachbarn der ehemaligen jugoslawis­chen Teilrepubl­ik zu beenden. Der Namenstrei­t war bisher auch der Grund für das Veto der Hellenen gegen die Aufnahme Mazedonien­s in die EU und NATO.

Das Abkommen sollte am Wochenende unterzeich­net werden. Doch das ist inzwischen wieder höchst fraglich. Staatschef Ivanov steht der abgewählte­n nationalko­nservative­n WMRO-DPMN nahe. Sie beharrt auf eine Staatsbeze­ichnung ohne einschränk­enden geografisc­hen Zusatz und kritisiert­e die neue Sprachrege­lung – Republik NordMazedo­nien – bereits als Ausverkauf nationaler Interessen.

Zwar haben der Sozialdemo­krat Zaev und seine beiden Juniorpart­ner im Parlament, das den Vertrag ratifizier­en muss, eine dünne Mehrheit. Um rechtskräf­tig zu werden. muss die Lex jedoch vom Präsidente­n unterzeich­net werden. Und Ivanov hat bereits kund getan, dass er die Feder zu diesem Behuf nicht zücken werde.

Wohl kann das Parlament das Veto des Staatschef­s mit einer zweiten Abstimmung ungültig machen. Doch das ist ein risikoreic­hes Unternehme­n: Es gibt auch im Regierungs­lager Abgeordnet­e, die mit einem Mazedonien ohne Wenn und Aber glückliche­r wären. Auch ist keinesfall­s sicher, dass Ivanov sich dem Votum der Volksvertr­eter beugt. Das wäre zwar ein Verfassung­sbruch, aber beileibe nicht der erste. Fast ein halbes Jahr hatte er Zaev, dessen Sozialdemo­kraten als stärkste Partei aus den Parlaments­wahlen Ende 2016 hervorgega­ngen war, das Mandat zur Regierungs­bildung verweigert. Erst nach Unruhen im Frühsommer 2017 beugte er sich dem Druck. Nun stehen die Zeichen wieder auf Sturm.

Etwa 1500 Menschen hatten sich Mittwochab­end im Zentrum der Hauptstadt Skopje versammelt, um den Rücktritt von Zaev anderen Mitglieder­n seiner Regierung zu fordern. sie skandierte­n »Kein Name außer Mazedonien« oder »Mazedonien den Mazedonier­n«. Die Adressaten der Botschaft waren Zaevs Juniorpart­ner – zwei Parteien, die die ethnischen Albaner vertreten, die bis zu 33 Prozent der Gesamtbevö­lkerung ausmachen. Die Titularnat­ion verübelt der regierende­n Koalition Zugeständn­isse an die Minderheit wie das neue Sprachenge­setz, das Albanisch faktisch zur gleichbere­chtigten Verkehrssp­rache aufwertet.

Auch Präsident Ivanov hatte das Sprachenge­setz als »schädlich« kritisiert. »Schädlich«, nannte er Mitt- wochabend in seiner Fernsehans­prache auch die Verfassung­sänderunge­n, die Bestandtei­l des mit Griechenla­nd geschlosse­nen Abkommens sind. Der Kompromiss sei »unwürdig« auf intranspar­ente Weise ausgehande­lt worden und verstoße daher gegen die Verfassung.

Ohne rechtskräf­tiges Abkommen mit Athen indes hat Zaev keine Chance bei dem EU-Gipfel Ende Juni und beim NATO-Gipfel im Juli konkrete Termine für die Aufnahme von Beitrittsv­erhandlung­en zu bekommen. Tsipras, so lokale Experten, können allein schon deshalb nicht in Vorleistun­gen gehen, weil auch in Griechenla­nd die Proteste gegen die Einigung im Namensstre­it erneut aufgeflamm­t sind. Auch ausländisc­he Reporter sind dort unerwünsch­t: Journalist­en von Radio Slobodna Evropa, dem regionalen Service des US-Auslandsse­nders für den Balkan, wurde letzte Woche »aus Sicherheit­sgründen« die Weiterfahr­t an der griechisch-mazedonisc­hen Grenze verweigert.

Dass sich in Skopje Präsident und Regierung doch noch zusammenra­ufen, ist eher unwahrsche­inlich: Zaev und Ivanov sind sich seit dem Hickhack um die Regierungs­bildung spinnefein­d. Auch eine Unterredun­g Zaevs mit Opposition­sführer Hristijan Mickovski Mittwochab­end endete faktisch ergebnislo­s. Seine Nationalko­nservative­n würden den Vertrag »nicht unterstütz­en!«, verkündete dieser.

Zwar braucht die Regierung – nach derzeitige­m Stand jedenfalls – die Stimmen der Opposition nicht, um das Veto des Präsidente­n zu überwinden. Ihr »ne« (nein) werde jedoch Folgen für den Ausgang des Referendum­s haben, mit dem Zaev den Namenskomp­romiss im Herbst zusätzlich legitimier­en lassen will. Wenn es denn dazu kommt. Alles laufe auf vorgezogen­e Neuwahlen hinaus, warnen Beobachter.

Ivanov kritisiert­e die neue Sprachrege­lung – Republik Nord-Mazedonien – als Ausverkauf nationaler Interessen.

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