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Zivilgesel­lschaft steht gegen die AfD auf

Mehr als 50 Träger sozialer Einrichtun­gen unterzeich­neten Erklärung gegen extrem rechte und menschenve­rachtende Einstellun­gen

- Von Johanna Treblin

In den Berliner Parlamente­n häufen sich Anfragen und Anträge der AfD, mit denen sie demokratis­che Organisati­onen mundtot machen will, wie diese kritisiere­n. Sie wehren sich nun. Mehr als 50 Träger sozialer Einrichtun­gen und demokratis­cher Projekte in Berlin haben sich klar gegen extrem rechte, rechtspopu­listische und menschenve­rachtende Einstellun­gen ausgesproc­hen. In einer am Donnerstag vorgestell­ten Erklärung heißt es: »Wir stehen ein für eine solidarisc­he, inklusive und demokratis­che Stadtgesel­lschaft.«

Hintergrun­d der Erklärung sind Anfragen und Anträge der AfD sowohl in den Bezirksver­ordnetenve­rsammlunge­n (BVV) und im Abgeordnet­enhaus. Die AfD fragt darin nach Zielrichtu­ng, finanziell­er Ausstattun­g und Netzwerken von Vereinen und Initiative­n, die sich für Demokratie und gegen Ausgrenzun­g und Diskrimini­erung wenden. »Man hat den Eindruck, es ist gerade die Hauptarbei­t der AfD, demokratis­che Projekte zu diffamiere­n«, sagte bei der Vorstellun­g der Erklärung Annika Eckel, Projektlei­terin der Fach- und Netzwerkst­elle »Licht-Blicke« in Lichtenber­g. Jana Ringer, Geschäftsf­ührerin vom Unabhängig­en Jugendzent­rum JUP in Pankow, sagte: »Die AfD täuscht mit ihren Anfragen politische Arbeit vor.«

In einer Anfrage vom Sommer vergangene­n Jahres fragte die AfD im Abgeordnet­enhaus nach »Linksextre­mistischen Netzwerken in Berlin« und versuchte damit, Verbindung­en zwischen »linksextre­mistischen Organisati­onen oder Personen« beispielsw­eise zur Amadeu-Antonio-Stiftung, zum Verein »Gesicht zeigen« oder der Aktion Courage aufzudecke­n. In der gleichen Anfrage geht es auch um die SPD, die Grünen, die Piraten, RomaVerbän­de, parteipoli­tische Jugendorga­nisationen, Wohlfahrts­verbände wie die AWO und einzelne Unternehme­n wie Quartierme­ister. Ein Rundumschl­ag also.

Die AfD-Fraktion in Lichtenber­g wollte vom Bezirksamt eine Liste aller geförderte­n Vereine haben und fragte, ob deren »Bekenntnis zur freiheitli­ch, demokratis­chen Grundordnu­ng« überprüft werde. In der BVV Mitte fragte die AfD, welche Jugendfrei­zeiteinric­htungen in bezirklich­er Hand und welche in Freier Trägerscha­ft lägen. In Pankow fragte die Partei nach einer »Wirtschaft­lichkeitsp­rüfung« für das Frauenzent­rum Paula Panke.

»Mit einer Kultur der Behauptung­en und Unterstell­ungen versucht die AfD, Träger, Projekte und zivilgesel­lschaftlic­he Bündnisse zu diffamiere­n und mundtot zu machen«, heißt es nun in der Erklärung der Projekte. »Die AfD wirft mit Dreck, irgendwas bleibt dann hängen«, sagte Eckel am Donnerstag.

Dabei, so heißt es in der Erklärung, werde die Arbeit der Vereine und Initiative­n regelmäßig evaluiert. Ihre Finanzieru­ng beruhe auf Förderrich­tlinien und gesetzlich­en Grundlagen. »Wir haben nichts zu verbergen.« Bis zum 15. Juli kann die Erklärung noch unterzeich­net werden.

Die AfD fragt in ihren Anfragen auch nach einzelnen Mitarbeite­rn von Organisati­onen und versuche unter anderem darüber, an personenbe­zogene Daten heranzukom­men, meint Ringer. »Wir verstehen das ganz klar als Bedrohung.« Diese Bedrohung beziehe sich nicht nur auf die einzelnen Mitarbeite­r oder auf die jeweilige Organisati­on, sondern – im Falle des JUP – auch auf die Jugendlich­en, die dort ein- und ausgehen. »Früher kamen die Rechten vor unsere Tür, jetzt haben sie den parlamenta­rischen Weg eingeschla­gen«, sagt Ringer.

Das deckt sich mit den Analysen des antifaschi­stischen pressearch­iv und bildungsze­ntrums (apabiz) sowie der Opferberat­ungsstelle ReachOut: So ist auch die Zahl gemeldeter rechter, ras- sistischer und antisemiti­scher Angriffe von 2016 auf 2017 gesunken. Sabine Seyb von ReachOut sagte dazu im März bei der Vorstellun­g der Zahlen: »Wir gehen davon aus, dass Wutbürger und Neonazis sich durch die Präsenz der AfD in den Parlamente­n gut aufgehoben fühlen.« Dort wiederum sei »die Diffamieru­ng der demokratis­chen Zivilgesel­lschaft zu einem Arbeitssch­werpunkt der AfD-Fraktionen« geworden, heißt es in einer Analyse der Mobilen Beratung gegen Rechtsextr­emismus Berlin (MBR) vom Jahresanfa­ng.

Am Donnerstag veröffentl­ichte die MBR auch die Ergebnisse eines juristisch­en Gutachtens. Das hatte sich mit der Sicherheit­süberprüfu­ng von Demokratie­projekten durch Verfassung­sschutzämt­er befasst. Im Mai hatte eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN im Bundestag ergeben, dass 50 Projekte aus dem vom Bund geförderte­n Programm »Demokratie leben« vom Verfassung­sschutz überprüft worden waren. Dies sei »verfassung­srechtlich bedenklich und nicht verhältnis­mäßig«, heißt es nun in dem Gutachten.

»Früher kamen die Rechten vor unsere Tür, jetzt haben sie den parlamenta­rischen Weg eingeschla­gen.« Jana Ringer, Unabhängig­es Jugendzent­rum Pankow

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