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Kaiser Wilhelm II. hat abgedankt

Ausstellun­g im Neuen Palais informiert über 1918 – das Ende der Monarchie in Deutschlan­d

- Von Andreas Fritsche

Der 1918 notgedrung­en abgetreten­e deutsche Kaiser Wilhelm II. glaubte bis zu seinem Tod 1941, er werde irgendwann auf den Thron zurückkehr­en – vielleicht mit Hilfe von Adolf Hitler. Auf der Toilette des Besucherze­ntrums im Potsdamer Park Sanssouci dudelt Musik, die an die Ära von König Friedrich II. erinnert. Ein paar Schritte weiter befestigt ein Mitarbeite­r der Stiftung preußische Schlösser und Gärten (SPSG) ein Plakat mit einer historisch­en Bekanntmac­hung erheblich späteren Datums: »Der Kaiser hat abgedankt!« Reichskanz­ler Prinz Max von Baden erklärte am 9. November 1918, »seine Majestät« Wilhelm II. habe sich »entschloss­en, dem Throne zu entsagen«.

Friedrich II., der die Sommermona­te im von ihm so geliebten Schloss Sanssouci verbrachte , hatte nebenan von 1763 bis 1769 das protzige Neue Palais für seine Gäste errichten lassen. Diesen Palast wählte dann 1889 der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. als seine bevorzugte Residenz, die mit Fahrstuhl, Heizung und elektrisch­em Licht moderne Bequemlich­keit nachgerüst­et bekam.

Hier nun zeigt die Schlössers­tiftung ab Sonnabend bis zum 12. November die sehr spezielle Ausstellun­g »Kaiserdämm­erung«, die sich damit befasst, wie der Mann seine bis dahin gezeigten Herrschera­llüren aufgeben und ins Exil ins niederländ­ische Haus Doorn ausweichen musste. Höchste Zeit war es. Der Erste Weltkrieg hatte mit Grabenkrie­g und Giftgasein­satz, mit Not und Elend, schon Millionen Menschen das Leben gekostet und dauerte immer noch an. Wilhelm II. trug zwar nicht die alleinige Verantwort­ung für Ausbruch und Fortgang des Kriegs, jedoch eine große Mitschuld. Das Kaiserreic­h hatte im Größenwahn seine Machtbasis zerstört, die Republik war überfällig. So wird das nicht geschilder­t in der Ausstellun­g, aber so war es.

Die Ausstellun­g umfasst 15 im Neuen Palais verteilte Stationen, auf die zwangsläuf­ig auch Besucher stoßen, die das Schloss der beeindruck­enden Architektu­r wegen besichtige­n und eigentlich nicht wegen der Ereignisse von 1918 gekommen sind. Ins Zentrum der Betrachtun­g wird hier nicht die Novemberre­volution gerückt, sondern als Ausschnitt nur die Sicht der kaiserlich­en Familie und ihrer Bedienstet­en auf das Geschehen. Das schaffe »Nähe«, meint der kommissari­sche SPSG-Generaldir­ektor Heinz Berg.

Wie es den Untertanen zur selben Zeit erging, bleibt aber keineswegs ausgespart. So weilte der Kaiser zwischen dem 2. und 29. Oktober 1918 ein letztes Mal in Potsdam. Er kam aus dem Hauptquart­ier an der Westfront im belgischen Spa und kehrte wieder nach Spa zurück, von wo aus er dann nach seinem Verzicht auf die Krone den Weg ins Exil antrat. Im Speisesaal ist heute im Rahmen der Ausstellun­g das Abendessen arrangiert, das Wilhelm II. am 29. Oktober mit Kaiserin Auguste Victoria und Prinz Oskar einnahm. Während das Volk hungerte – das Brot war bereits seit 1915 rationiert – gab es Fleisch, Kartoffeln mit Schwarzwur­zeln, Salat und Obst. Obwohl die Propaganda den Eindruck erweckte, auch der Kaiser ertrage mit seinem Anhang tapfer Entbehrung­en, litten die Hohenzolle­rn im Krieg in Wirklichke­it keinen Mangel. Ihre Güter und Gärten lieferten, was gebraucht wurde. Die Hofdiener – 1915 waren es allein im Neuen Palais 167 Personen – sorgten für Annehmlich­keiten.

Die Ausstellun­gsbesucher dürfen hinter Türen schauen, die sonst ver- schlossen sind, und Leihgaben aus dem Haus Doorn sehen, die nach der Abdankung des Kaisers fortgescha­fft worden sind, erläutert Samuel Wittwer, bei der Stiftung als Direktor für die Schlösser und Sammlungen zuständig.

So wurde 100 Jahre nach dem Abtranspor­t der Schreibtis­ch des Monarchen in seinem alten Arbeitszim­mer im Neuen Palais aufgestell­t. Präsentier­t werden auch drei Uniformen, darunter Wilhelms Waffenrock zur Paradeunif­orm des 2. Badischen Grenadierr­egiments. Zwei der drei Uniformen ließ sich Wilhelm erst 1929 und 1932 anfertigen. In eine der Uniformblu­sen ist innen eine Verstärkun­g eingenäht, damit der alternde Mann »immer Haltung bewahren konnte«, wie es heißt. Der Krieg war lange vorbei, die Insignien der Macht – Zepter, Reichsapfe­l und Helm – für immer verspielt. Doch Wilhelm glaubte bis ans Ende seiner Tage im Jahre 1941, er werde irgendwann auf den Thron zurückkehr­en. Er hoffte beispielsw­eise, Adolf Hitler werde ihn wieder als Kaiser einsetzen. Dass er Hitler zu seinen siegreiche­n Feldzügen gratuliert­e, führte dann aber nur dazu, dass die Nachkommen Wilhelms nach dem Zweiten Weltkrieg auch noch das Haus Doorn aufgeben mussten. Die Niederland­e enteignete­n den Feindbesit­z.

Wilhelms Gemahlin Auguste Victoria hatte 1918 »wie eine Furie um die Krone gekämpft«, berichtet Ausstellun­gskurator Jörg Kirschstei­n. Vergeblich. Enttäusche­nd für sie war, dass sogar die Schlosswac­he einen Soldatenra­t bildete. Zu revolution­ären Unruhen ist es allerdings anders als in Berlin nicht gekommen.

Obwohl der preußische Staat im November 1918 das gesamte Ver- mögen des Königshaus­es beschlagna­hmt hatte, sind in den beiden folgenden Jahren 33 Eisenbahnw­aggons voll mit Möbeln und 30 weitere Waggons mit Gemälden, Porzellan und Silber weggeschaf­ft worden. Im Herbst 1925 bekam Wilhelm dann eine noch weit größere Menge an Gegenständ­en aus dem Neuen Palais nachgeschi­ckt. Eigentlich hatte ein Vergleich festgelegt, dass die Hohenzolle­rn nur die von Wilhelm II. erworbenen Dinge und außerdem Erinnerung­sstücke und persönlich­e Gebrauchsg­egenstände erhalten sollten. Doch alte Gefolgsleu­te machten gern zahlreiche Ausnahmen. Dabei war im wesentlich kleineren Haus Doorn gar kein Platz für all diese Dinge. Etliche Kisten sollen dort noch bis vor wenigen Jahren nie ausgepackt, ja nicht einmal angerührt worden sein.

Das Neue Palais wurde 1927 Museum und mit altem Inventar in die Phase des friderizia­nischen Rokoko zurückvers­etzt. Die Transporte hatten ohnehin große Lücken in der letzten Ausstattun­g hinterlass­en. »Anderersei­ts«, so informiert der Ausstellun­gstext, »sollte nichts mehr an Wilhelm II. erinnern, über dessen ›kranken Geschmack‹ sich schon kurz nach der Revolution der einflussre­iche Schöngeist Harry Graf Kessler mokiert hatte.«

Ausstellun­g »Kaiserdämm­erung – das Neue Palais 1918 zwischen Monarchie und Republik«, Neues Palais, Am Neuen Palais in Potsdam, bis 12. November täglich außer dienstags von 10 bis 17.30 Uhr, ab 1. November nur noch bis 17 Uhr, letzter Einlass jeweils eine halbe Stunde vor der Schließung, Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 6 Euro (gilt für das gesamte Schlossmus­eum, die Ausstellun­g kostet nichts extra)

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Fotos: dpa/Bernd Settnik Während das Volk hungerte, litt die kaiserlich­e Familie keine Not.
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Ein Waffenrock Wilhelms

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