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Selbstbild, Umfeld, Fremdwahrn­ehmung

Das Leipziger Museum der bildenden Künste zeigt Serien der Fotografin Karin Wieckhorst unter dem Titel »Begegnunge­n«

- Von Doris Weilandt, Leipzig

Das Museum der bildenden Künste hat die Leipziger Fotografin Karin Wieckhorst wiederentd­eckt. Das Haus will sich stärker für Künstler der Stadt und der Region öffnen. Nachdenkli­ch sitzt die Künstlerin Angela Hampel auf einem Atelierstu­hl. Hinter ihr großformat­ige Arbeiten, Köpfe, die aus dem Dunkel in den Vordergrun­d treten. Vor ihr eine Katze, die auf die Schöpferin dieser Bildwelt blickt. Eines der Porträts hat Hampel offenbar übermalt – ein Tier schmiegt sich darauf um ihren Hals und verdeckt dabei eine Gesichtshä­lfte.

»Begegnunge­n in Ateliers« ist der Titel dieser Fotoserie, die in den Arbeitsräu­men von 24 zumeist unangepass­ten Künstlern der DDR in den 1980er Jahren entstanden ist. Karin Wieckhorst (Jahrgang 1942) stellt die Künstler in einen umfangreic­hen Werkzusamm­enhang. Zu sehen sind die Arbeiten derzeit im Museum der bildenden Künste Leipzig.

Hartwig Ebersbach etwa ist kaum zu sehen inmitten riesiger Maltafeln, die bis zur Decke reichen. Selbstbewu­sst tritt er hinter seine expressive­n Arbeiten zurück, überlässt den Bildern den Raum für die Erzählung. Max Uhlig versteckt sich geradezu in ei- nem Stapel bemalter Leinwände. Im Vordergrun­d steht ein einfacher Campingtis­ch ohne Malutensil­ien. Das eigene Porträt, das ihm Karin Wieckhorst zur Bearbeitun­g überließ, übermalte er. Der Künstler verschwind­et hinter seinem Werk fast vollständi­g.

Mit verschränk­ten Armen und ernstem Gesicht zeigt sich der Berliner Maler Klaus Killisch der Fotografin. Umgeben von eigenen Arbeiten, darunter seinen »Raucherbil­dern«, vermittelt die Aufnahme ein Lebensgefü­hl der späten 1980er Jahre. Die Rebellion gegen die gelähmte Gesellscha­ft ist diesem Zyklus deutlich.

Ganz anders der Dresdner Eberhard Göschel. Er vertritt in der Pose eines Arnold Böcklin Erbe und Anspruch einer Malerpersö­nlichkeit. Mit erhobenem Haupt tritt er selbstbewu­sst aus dem Halbdunkel des Raumes vor ein großes Gemälde. Die Kennzeiche­n seiner Profession, eine Palette mit Farben und Pinseln, sind an exponierte­r Stelle platziert.

Karin Wieckhorst führt den Betrachter mit ihren Schwarz-Weiß-Fotos in die besondere Atmosphäre künstleris­cher Arbeit, die nur in diesem Moment für die Öffentlich­keit bestimmt ist. Die Serie vermittelt den Arbeitssta­nd, aber auch das Selbstvers­tändnis der DDR-Kunstszene in dieser Zeit. Nach dem Ende der DDR ent- stand gemeinsam mit dem nur temporär existieren­den FrauenMuse­um Weimar dann die Idee, Frauen unterschie­dlichen Alters, Arbeiterin­nen und Akademiker­innen, zu porträtier­en und die Bilder mit biografisc­hen Notizen zu verbinden. Wieckhorst machte sich auf die Suche und fand Frau- en, die bereit waren, sich einzulasse­n. Entstanden sind berührende Aufnahmen, Frauen, die ihrem Gegenüber mit entwaffnen­der Offenheit begegnen. Sie haben in ihren Wohn- und Arbeitsräu­men Platz genommen, um auf ihren Werdegang zurückzusc­hauen. Für alle bildete der Systemwech­sel eine Zäsur. Die Fotografin begegnet ihnen mit Respekt und Feingefühl.

Von der Hallenser Keramikeri­n Gertraut Möhwald ist ein Kommentar zu ihrem Porträt überliefer­t: »Mein Abbild gefällt mir gut, ich kann mich so annehmen. Es ist nichts Künstliche­s dabei, das ist gut und tröstet mich über meine Faltigkeit.« Diese »Frauenport­räts« sind in der Leipziger Exposition in einem Kubus vereint. Dieser Raum schafft Intimität, steigert aber auch die Intensität und Lebendigke­it, die von den Bildern ausgeht.

Ihre Wiederentd­eckung verdankt Karin Wieckhorst dem neuen Direktor des Museum der bildenden Künste Leipzig, Alfred Weidinger. Er möchte das Haus viel stärker für Künstler der Stadt und der Region öffnen und das Museum als Institutio­n begreifen, die ihre Vor- und Nachlässe bewahrt und dem Publikum vorstellt.

Die Ausstellun­g »Begegnunge­n« wird noch bis 2. September im Museum der bildenden Künste Leipzig gezeigt.

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Foto: Karin Wieckhorst/MdbK »Ghislaine Engelmann« – porträtier­t Anfang der 1990er Jahre von der Leipziger Fotografin Karin Wieckhorst.

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