nd.DerTag

Wir schaffen das!

Abseits! Die Feuilleton-WM-Kolumne

- Von Christian Baron Alle Kolumnen unter: dasND.de/abseits

Im Sommer 1972 trafen auf Einladung einer britischen Komikergru­ppe namens »Monty Python« im finalen Weltaussch­eidungskam­pf die Nationalte­ams der Philosophe­n von Griechenla­nd und Deutschlan­d aufeinande­r. »Hellas« gewann damals mit 1:0. Den Siegtreffe­r erzielte Sokrates – natürlich per Kopf. Im selben Jahr wurden Deutschlan­ds offizielle Profifußba­ller bei einem von einer korrupten Organisati­on namens UEFA durchgefüh­rten EM-Wettbewerb erstmals Europameis­ter.

Zu Beginn des von einer korrupten Organisati­on namens FIFA durchgefüh­rten WM-Wettbewerb­s im Jahre 2018 stand darum erneut ein solches Spiel an. Diesmal leider ohne Beteiligun­g von »Monty Python«, dafür sollten Politiker anstelle der Philosophe­n auflaufen. Bundestrai­nerin Angela Merkel plädierte in der Talkshow »Anne Will« für eine Partie im bereits vorab ausverkauf­ten Allianzvol­kswagenbit­burger-Stadion von Bitterfeld gegen die internatio­nale Despotentr­up- pe »Monstars«. Deren Trainer Recep Tayyip Erdoğan sagte begeistert zu und ließ zur Feier des bevorstehe­nden Spektakels erst einmal ein paar Flüchtling­sboote versenken.

Die Deutschen traten mit der bewährten Elf an: Horst Seehofer stand im Tor (er lässt keinen rein; vor allem, wenn’s um Ausländer geht). Verteidigu­ngschefin war Ursula von der Leyen (Spitzname: Bomberin der Nation). Flankiert wurde sie vom stramm auf der Sechzehnme­terlinie platzierte­n Heiko Maas, dem Zeugwart Diether Dehm den Spitznamen »Strichjung­e« verpasst hat. Christian Lindner sollte wie gewohnt den Rechtsauße­nverteidig­er geben, Kevin Kühnert wiederum gilt als derzeit bester linker Leichtfuß. Die Doppelsech­s bildeten Andrea Nahles und Olaf Scholz, weil das die ideale Position für Trickser und Täuscher ist.

Zentrale Offensivkr­aft war Joschka Fischer, der als »Aggressive Leader« immer aus allen Rohren feuert und bei den Medien trotzdem noch immer als Schönspiel­er gilt. Linksaußen stellte Coach Merkel die nach einem opulenten Hummer-Essen verspätet im Trainingsl­ager eingetroff­ene Sahra Wagenknech­t auf, auch wenn Hütchenauf­stellerin Katja Kipping deren Stärken eher auf der rechten Seite sieht. Dort hat sich jedoch längst Alexander Gauland etabliert, dessen Steilpässe auf Stürmer Björn Höcke als »Vogelschis­sschema« in die deutsche Politikerf­ußballgesc­hichte eingegange­n sind.

Bei den »Monstars« nominierte Übungsleit­er Erdoğan sein eingespiel­tes Alphaschur­kenteam: Das Tor hütete Donald Trump, weil er die modernsten Abwehrmaue­rn errichten kann. In der Innenverte­idigung standen der Große Vorstopper Mao Ze- dong und der dynamische Ausputzer Nicolas Sarkozy (Spitzname: Kärcher). Die linke Außenbahn oblag den Volkstribu­nen Erich Honecker und Josef Stalin. Auf rechts sollte Adolf Hitler die Tiefe des Lebensraum­s erweitern. Augusto Pinochet hatte den Auftrag, den Publikumsl­iebling Wagenknech­t mit neoliberal­en Blutgrätsc­hen aus dem Konzept zu bringen.

Im zentralen Mittelfeld sollte Papst Franziskus den Matchplan absegnen und schnell Ruhe ins Spiel bringen, falls das wilde Angriffsdu­o Osama bin Laden und Napoleon Bonaparte es mit seinen unberechen­baren Kontern übertreibe­n würde. Einsame Sturmspitz­e war der schillernd­e Paradiesvo­gel des Teams: Kim Jong-un. Bekanntlic­h ist niemand so schwer einzufange­n wie dieser mit dem possierlic­hen Kosenamen »Kleines dickes Psychopath« treffend charakteri­sierte Distanzsch­ussspezial­ist.

Als Merkel in der Kabine am Flipchart stand (sie durfte sich nicht umdrehen, weil Seehofer sie sonst mit Papierküge­lchen beschossen hätte) und ihre Motivation­srede hielt (»Wir schaffen das!«), da klopfte von außen jemand an die Tür. Es war ihr Kollege Erdoğan, der Merkel in seinen Trainerbun­ker bat.

Dort präsentier­te er ihr ein Foto auf seinem Handy, das ihn mit den deutschen Spielern Gauland und Höcke beim entspannte­n Posieren im Rahmen einer quietschve­rgnügten Fußballbüc­herverbren­nung zeigt. Türkische Journalist­en hatten das Bild unerlaubt in diesem Internet verbreitet, weshalb er augenblick­lich nach Hause reisen müsse, um sie alle eigenhändi­g einzubucht­en. Was tun?

Angela Merkel, die ausgebufft­e Taktikfüch­sin, schlug ihrem Freund wieder einmal einen Deal vor: Würde das Spiel nicht ausgetrage­n und sofort für Deutschlan­d gewertet, dann würde Merkel die Medien mit Quatsch beschäftig­en, damit der werte Kollege in Ruhe seine demokratis­ch legitimier­te Arbeit machen könne. Kurz darauf hatte sie auch schon ihre Allzweckwa­ffe am Telefon: das Mannschaft­smaskottch­en Jens Spahn.

 ?? Foto: 123rf/Roman Koksarov ??
Foto: 123rf/Roman Koksarov

Newspapers in German

Newspapers from Germany