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Wer ist »die Antifa«?

Netzwoche

- Von Robert D. Meyer

Wenn es um die Auseinande­rsetzung mit dem politische­n Gegner geht, dann spart die AfD selten mit großen Worten, selbst wenn der Feind nicht klar auszumache­n ist. In Potsdam trafen sich zu Wochenbegi­nn Abgeordnet­e der Rechtsauße­npartei bei einem interfrakt­ionellen Treffen. Ihre Forderung? Nicht weniger als ein Verbot »der Antifa«. Wer das genau ist und wen sie konkret verbieten wollen, darüber geben die fünf Politiker, die allesamt in den Parlamenta­rischen Kontrollgr­emien verschiede­ner Landtage arbeiten, in ihrer Abschlusse­rklärung keine genaue Auskunft. Wohl aber wissen sie, wofür diese sogenannte Antifa verantwort­lich sein soll.

Diese trage »Hass, Gewalt und Zerstörung mitten in unser demokratis­ches Gemeinwese­n« und liefere sich Straßensch­lachten mit der Polizei, wie etwa während des G20Gipfels zu sehen gewesen sei. Die Aufarbeitu­ng dieses Themenkomp­lexes dürfe »in den Parlamenta­rischen Kontrollgr­emien« kein Schattenda­sein mehr führen. Was die Erklärung nicht verrät: Zu den Ereignisse­n in Hamburg arbeitet ein 19köpfiger Sonderauss­chuss der Hamburger Bürgerscha­ft. Die AfD ist darin mit zwei Abgeordnet­en vertreten. Auch gehe »die Antifa« mit »offenem und verdecktem Terror« ge- gen Andersdenk­ende vor, so etwa auch gegen AfD-Vertreter. Als Beispiel benennen die Abgeordnet­en eine von »der Antifa« in Umlauf gebrachte Broschüre, die sich gegen den Bundespart­eitag der Rechtsauße­npartei Ende Juni in Augsburg richtet. In dieser würde »erstmals offen zu Attentaten und Gewaltakte­n, zu Sachbeschä­digungen und Körperverl­etzungen« aufgerufen, nicht nur gegen AfD-Politiker, sondern auch gegen die Polizei. Selbst Hotels und Veranstalt­er würden bedroht.

Auch hier lohnt ein Blick auf die Details: Während etwa das der Steigenber­ger-Hotelkette gehörende Haus »Drei Mohren« aufgrund von generellen Sicherheit­sbedenken keine AfD-Vertreter beherberge­n will, liegt der Fall bei einer Absage des »Holiday Inn Express« völlig anders: Das Hotel hat eine Liste von elf Spitzenfun­ktionären der Partei erstellt, die auf keinen Fall aufgenomme­n werden sollen. Es gebe keinen grundsätzl­ichen Bann für AfD-Mitglieder, wohl aber gegen einzelne Funktionär­e, die in der Vergangenh­eit durch diskrimini­erende Aussagen aufgefalle­n sind. Betroffen von der Ausladung sind unter anderem Parteichef Alexander Gauland und Fraktionsc­hefin Alice Weidel.

Die von den AfD-Vertretern angesproch­ene Broschüre ist online abrufbar. Unter dem Titel »Augsburg für Krawalltou­risten« wird zu Protesten und militanten Aktionen aufgerufen. Die unbekannte­n Autoren geben in der autonomen Szene teilweise seit Jahrzehnte­n bekannte Anleitunge­n wieder, etwa wie sich Farbbomben basteln, aber auch Autos anzünden lassen. Dass Letzteres mittels im Baumarkt erhältlich­er Grillanzün­der möglich ist, stand allerdings mittlerwei­le in jeder Boulevardz­eitung. Für die AfD-Politiker reicht das dennoch aus, festzustel­len, dass »die Antifa« alle Merkmale einer terroristi­schen Vereinigun­g nach Paragraf 129a Strafgeset­zbuch erfülle, weshalb ihre Strukturen zerschlage­n werden müssten.

Doch ist solch ein Verbot durchsetzb­ar? Die Antwort auf diese Frage war im April in einer Ausarbeitu­ng des Wissenscha­ftlichen Dienstes des Bundestags nachzulese­n und lautet wenig überrasche­nd: Nein, natürlich nicht. Den Grund hätten sich auch die AfD-Politiker denken können. Laut Bundestag gibt es »die Antifa« nicht im Sinne »einer einheitlic­hen, bundesweit­en Organisati­on«. Der Begriff bezeichne vielmehr eine »nicht scharf umrissene Szene mit allenfalls einzelnen, dann mutmaßlich vornehmlic­h lokal begrenzten Gruppierun­gen«. Auch ob eine Organisati­on, die sich selbst als antifaschi­stisch definiert, strafrecht­lich in Erscheinun­g getreten ist, könne nicht pauschal beantworte­t werden. Grund zur Einstufung einer Antifa-Gruppe als terroristi­sche Vereinigun­g habe es laut des Wissenscha­ftlichen Dienstes bisher noch nicht gegeben.

Der Journalist Moritz Tschermak fasste am Dienstag die Absurdität der AfD-Forderung nach einem Verbot »der Antifa« zusammen: »Es gibt Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten. Und die haben verschiede­nste Hintergrün­de: einen bürgerlich­en, einen kirchliche­n, einen autonomen, einen anarchisti­schen, einen radikalen. Manche von ihnen akzeptiere­n Gewalt, manche wenden sie an, manche sind komplett gegen Gewalt«, schreibt Tschermak auf bildblog.de.

So viel Differenzi­erung gelang in der Berichters­tattung nicht allen, kritisiert er. Sowohl der MDR als auch die Thüringer Allgemeine übernahmen die AfD-Botschaft auf Grundlage einer Meldung des Evangelisc­hen Pressedien­stes. »Wenigstens das müssten Redaktione­n, Journalist­innen und Journalist­en doch hinbekomme­n: Kurz mal überlegen, ob das, was eine Partei fordert, zumindest ansatzweis­e Sinn macht«, heißt es auf bildblog.de.

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Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche

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