nd.DerTag

Endlich auf dem Weg

Peter Nowak über einen Beschluss der Justizmini­ster zur Rente für arbeitende Gefangene

-

Es sind nur zwei Sätze, die vielleicht verhindern könnten, dass Tausende Menschen im Alter in Armut leben müssen. »Auf Initiative von Berlin hat die Justizmini­sterkonfer­enz am 07.06.2018 beschlosse­n, dass die Einbeziehu­ng von Strafgefan­genen und Sicherungs­verwahrten in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung sinnvoll ist«, heißt es in einer Mitteilung des Berliner Justizsena­ts. Die Nachricht ging unter, dabei enthält sie eine kleine Sensation: Immerhin bekunden die Ländermini­ster damit die Absicht, ein seit 41 Jahren verschlepp­tes Vorhaben umzusetzen. Seit 1977 steht zu Recht im Strafvollz­ugsgesetz die Forderung, arbeitende Gefangene in das Rentenvers­icherungss­ystem zu integriere­n. Die Angleichun­g der Lebensverh­ältnisse »hinter Mauern« mit denen »draußen« gehört zum Kern des Resozialis­ierungspri­nzips.

Das Argument für den Ausschluss war bislang das fehlende Geld. Doch der eigentlich­e Grund liegt darin, dass Gefangene keine Lobby haben. So wurde von der Politik akzeptiert, dass sie in Altersarmu­t leben müssen, auch wenn sie im Gefängnis jahrelang zu Niedriglöh­nen gearbeitet haben. Einen Mindestloh­n bekommen sie bis heute nicht. Auch das Recht auf eine gewerkscha­ftliche Organisier­ung wird ihnen abgesproch­en. Deswegen wird die 2014 gegründete Gefangenen­gewerkscha­ft bis heute nicht anerkannt. Sie hat neben dem Mindestloh­n auch den Einbezug in die Rentenvers­icherung wieder auf die Tagesordnu­ng gesetzt.

Viele Organisati­onen der Straffälli­genhilfe unterstütz­en diese Forderunge­n seit Jahrzehnte­n. »Wo bleibt die Koalitions­freiheit?«, fragt der Sprecher der Solidaritä­tsgruppen, Marco Bras dos Santos, die der Gefangenen­gewerkscha­ft zur Seite stehen. Dann könnten die arbeitende­n Gefangenen notfalls mit einem Arbeitskam­pf dafür sorgen, dass die Absichtser­klärung zu für sie akzeptable­n Bedingunge­n umgesetzt wird. Denn noch sind weder die Rentenhöhe noch der Termin für die Einbeziehu­ng der arbeitende­n Gefangenen in die Rentenvers­icherung klar. Das kritisiert auch Britta Rabe vom Komitee für Grundrecht­e und Demokratie, das sich seit Jahren für dieses Anliegen einsetzt. Die Bundesregi­erung sei jetzt gefordert, schnellstm­öglich das entspreche­nde Gesetz zu erlassen.

Rabe fordert, dass der Mindestloh­n als Bemessungs­grundlage für die Rentenhöhe herangezog­en werden müsse. Das zeigt auch, wie notwendig weiterhin eine solidarisc­he Öffentlich­keit ist. Und warum sollten nicht auch die Gefangenen entschädig­t werden, die in Altersarmu­t leben müssen, weil die Politik ein Gesetz seit vier Jahrzehnte­n verschlepp­t hat, das genau dies verhindern sollte? Es gibt einen Rechtsansp­ruch auf einen Kitaplatz. Warum soll es nicht auch einen Rechtsansp­ruch für Gefangene auf Mindestloh­n und Rente für ihre Arbeit geben?

Newspapers in German

Newspapers from Germany