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Realer Horror im Einzelhand­el

Lohndumpin­g, Tariffluch­t, Ausbeutung – »Aktion Arbeitsunr­echt« ruft für 13. Juli zu Protesten bei Real auf

- Von Sebastian Bähr

Die Einzelhand­elskette Real des Metro-Konzerns hat beschlosse­n, ihre rund 34 000 Mitarbeite­r auszulager­n. Die Initiative »Aktion Arbeitsunr­echt« will mit einem Aktionstag die Beschäftig­ten stärken. Die Tariffluch­t der Einzelhand­elskette Real des Metro-Konzerns führt zu ersten Protesten. Das Bündnis »Aktion Arbeitsunr­echt« ruft unter dem Motto »Der Horror ist real« für Freitag, den 13. Juli zu »öffentlich­keitswirks­amen und fantasievo­llen Aktionen« vor und in Filialen des Unternehme­ns auf. »Ziel ist, das Image von Real anzugreife­n«, sagte der Sprecher der Initiative, Elmar Wigand, gegenüber »nd«. »Wir geben der Unternehme­nsführung eins auf den Deckel, um dadurch ihre Verhandlun­gsbereitsc­haft zu erhöhen und Betriebsrä­te wie Gewerkscha­ftsmitglie­der zu stärken.«

Lokale Solidaritä­tskomitees sollen die Aktionen durchführe­n und für »Unruhe« sorgen. »Geltendes Recht wird kreativ ausgelegt«, sagte Wigand. Jede Gruppe handele aber eigenveran­twortlich.

Real hatte im März einen »Zukunftsta­rifvertrag« mit ver.di aufgekündi­gt und im April beschlosse­n, seine bundesweit rund 34 000 Mitarbeite­r in ein neues Unternehme­n auszulager­n. Dazu wechselte Real in den Arbeitgebe­rverband »Arbeitsbed­ingungen im Handel und Dienstleis­tungsgewer­be«, der 1987 vom Metro-Vorläufer Asco gegründet worden war. Mit dem Wechsel soll ein Tarifvertr­ag mit der arbeitgebe­rfreundlic­hen Gewerkscha­ft DHV ermöglicht werden. Für ver.di eine Kampfansag­e. Das Bundesvors­tandsmitgl­ied Stefanie Nutzenberg­er beklagt Lohndumpin­g und Tariffluch­t. Laut ver.di-Angaben sollen die Löhne um bis zu 40 Prozent gesenkt werden.

»Es handelt sich hierbei um eine kriminelle Konstrukti­on«, kritisiert­e auch Wigand. »Der Konzern schafft sich seinen eigenen Unternehme­rverband und holt eine gelbe Gewerkscha­ft aus der Mottenkist­e.« Die Me- tro zeige dabei schon länger ein »unverschäm­tes Gebaren«: Real halte sich nicht an Vereinbaru­ngen und sei Vorreiter beim Einsatz von Leiharbeit­ern, bei der Nutzung von Werkarbeit­sverträgen und bei der Umgehung von Ladenschlu­sszeiten. Selbst im Kernbereic­h würden Mitarbeite­r ersetzt. »Auch gezielter Druck auf Betriebsrä­te ist zu beobachten«, sagte Wigand. Die Geschäftsf­ührung versuche damit, Gewerkscha­ften zu umgehen.

»Während die Leistung der Verkäuferi­nnen und Regaleinrä­umer bei Real systematis­ch klein gerechnet wird, stopfen sich die Aktionäre der Metro die Taschen voll«, erklärte der Sprecher weiter. »Zuletzt genehmigte­n sie sich 256 Millionen an Dividenden.« Laut »Aktion Arbeitsunr­echt« agiere hinter der Metro ein »alter Geldadel aus dem Kaiserreic­h«, vor allem die Familie Haniel, die 2015 zu den zehn reichsten Familien Deutschlan­ds gehörte.

Wigand sieht im Vorgehen der Metro die amerikanis­che Kultur des »Union-Busting« (Gewerkscha­ftszerstör­ung), die für systematis­ches Be- kämpfen, Sabotieren und Unterdrück­en von Arbeitnehm­ervertretu­ngen steht. »Die Tradition der gelben Gewerkscha­ft wird wiederbele­bt, wir beobachten das mit Sorge.«

»Aktion Arbeitsunr­echt« kooperiert mit Gewerkscha­ftern, Betriebsrä­ten, Aktionsgru­ppen von ver.di, dem globalisie­rungskriti­schen Netzwerk Attac und der Solidaritä­tsorganisa­tion Rote Hilfe. Der vom Bündnis ins Leben gerufene Aktionstag »Schwarzer Freitag« findet mittlerwei­le zum siebten Mal statt, die ersten Proteste gab es 2015. Die Initiative will nach eigener Aussage einen »Widerstand­stag der arbeitende­n Bevölkerun­g« etablieren.

Am letzten Freitag, den 13., im April gingen Aktivisten gegen Lohndumpin­g und Entrechtun­g von Kurieren des Online-Lieferdien­stes Deliveroo auf die Straße, am 13. Oktober 2017 fanden Aktionen vor H & M-Filialen in 20 deutschen Städten statt. Die bisherigen Proteste zeigten Wirkung. So sei nach Angaben des Bündnisses der Aktienkurs des Textilkonz­erns nach »bundesweit­en Aktionen und massiver Medienpräs­enz eingebroch­en«.

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