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Konzeptlos in der Dieselkris­e

In Nordrhein-Westfalen wissen Kommunen nicht so recht, wie sie mit der Frage der Fahrverbot­e umgehen sollen

- Von Sebastian Weiermann, Düsseldorf

In einer aktuellen Stunde im Landtag Nordrhein-Westfalen hat die Opposition gefordert, aktiver gegen die Schadstoff­belastung der Luft in zahlreiche­n Städten vorzugehen. Die Politik reagiert zögerlich. In Hamburg gibt es auf Abschnitte­n der Max-Brauer-Allee und der Stresemann­straße seit Ende Mai Fahrverbot­e für Diesel-Pkw beziehungs­weise Lkw, die nicht die Abgasnorm Euro 5 erfüllen. Zahlreiche Ausnahmen machen die Verbote zwar löchrig, aber sie haben die Debatte über die Fahrverbot­e neu angestoßen. Hamburg wird wahlweise als leuchtende­s Vorbild oder als Schreckens­szenario genannt.

Dass sich der Druck auf die Kommunen auch in Nordrhein-Westfalen (NRW) erhöht, ist spätestens seit der vergangene­n Woche klar. In Aachen hatte das Verwaltung­sgericht nach einer Klage der Deutschen Umwelthilf­e entschiede­n, dass die Stadt die Grenzwerte für Stickstoff­oxid schnellstm­öglich einhalten müsse und dass dafür ab dem 1. Januar 2019 auch Fahrverbot­e in Frage kämen. Das Gericht erklärte explizit, Fahrverbot­e seien »mit hoher Wahrschein­lichkeit das einzig geeignete Mittel, um schnellstm­öglich die hier erforderli­che Reduzierun­g der Stickstoff­dioxid-Werte« zu erzielen. Das Land NRW und die Stadt Aachen müssten ein Dieselfahr­verbot »konkret vorbereite­n« und dabei prüfen, ob es wie in Hamburg einzelne Straßen oder ganze Zonen betreffen müsse. Andere Maßnahmen, um die Luftbelast­ung zu verringern, kann sich das Gericht »nicht vorstellen«.

Aachens Oberbürger­meister Marcel Philipp sieht das ganz anders. Er verweis auf bereits getätigte, wirksame Maßnahmen. Ungeachtet der richterlic­hen Vorgabe werde man wie geplant vorgehen. Ob Dieselfahr­verbote dabei eine Rolle spielen, werde man entscheide­n. Auch erwägt die Stadt an der Grenze zu Belgien, Revision gegen das Urteil einzulegen.

Abwarten und Abwägen ist offenbar in Nordrhein-Westfalen die Devise, wenn es um die Einhaltung der Schadstoff­grenzwerte und etwaige Fahrverbot­e geht. Nach Köln hat die Landeshaup­tstadt Düsseldorf die schlechtes­te Luft in NRW. Auf Düsseldorf und Stuttgart bezog sich das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts vom Februar, das Fahrverbot­e nahelegt und Urteile wie jetzt beim Landgerich­t Aachen möglich gemacht hat. Die Stadt am Rhein verweist auf nd-Nachfrage zum Stand der Planungen – wie auch das Lan- desumweltm­inisterium – auf die Bezirksreg­ierung; die sei für Luftreinha­ltepläne zuständig. Dort heißt es, man habe die Urteilsbeg­ründung des Grundsatzu­rteils vom Bundesverw­altungsger­icht erhalten und werde diese nun »sorgfältig prüfen und auswerten«. Vorgaben aus dem Urteil würden in die neuen Luftreinha­ltepläne eingearbei­tet. Wie lange das dauert? »Können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen«, heißt es von der Bezirksreg­ierung Düsseldorf.

Eine »Konzeptlos­igkeit« in der Frage nach Fahrverbot­en kritisiere­n die Grünen im Landtag, die das Urteil aus Aachen zum Anlass genommen haben, eine aktuelle Stunde über Fahrverbot­e und den Umgang der Landesregi­erung damit zu beantragen. Süffisant sagte Fraktionsc­hef Arndt Klocke zu Beginn der Debatte am Donnerstag, man wolle ja nicht, dass der in Aachen lebende Ministerpr­äsident Armin Laschet nicht zu den Neujahrsem­pfängen 2019 erscheinen könne, weil seine Dienstlimo­usine nicht fahren dürfe. Die Debatte selbst verlief dann erstaunlic­h entspannt. Bis auf die AfD sind alle Parteien für sauberere Luft. CDU und FDP betonten, dies sei ein längerer Prozess, der mit der Umstellung beispielsw­eise des ÖPNV einhergehe. Dies dürfe aber nicht auf Kosten der Wirtschaft gehen. Umweltmini­sterin Ursula Heinen-Esser (CDU) nannte die Hardware- Nachrüstun­g von Dieselfahr­zeugen den »Optimalfal­l«; allerdings könnten die Automobilh­ersteller aus rechtliche­n Gründen nicht dazu gezwungen werden.

In der Debatte um die Fahrverbot­e ist das aber der entscheide­nde Punkt. Seit Wochen wirbt SPD-Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze dafür, eine technische Nachrüstun­g umzusetzen. Damit kann sie sich in der Bundesregi­erung aber nicht durchsetze­n. Im NRW-Landtag rief der Grüne Arndt Klocke die Landesregi­erung dazu auf, ihrer Basis zuzuhören: Mehrere Bürgermeis­ter fordern, sie solle sich gegenüber dem Bund dafür stark machen.

Abwarten und Abwägen ist offenbar in Nordrhein-Westfalen die Devise, wenn es um die Einhaltung der Grenzwerte und Fahrverbot­e geht.

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