nd.DerTag

Mein neuer Freund mit Fell

-

Mit meinen fast 14 Jahren musste ich eine Weile darüber nachdenken, welchen Traum ich schon gelebt habe oder noch leben möchte. Ich bin gerade in einer Zeit, in der sich alles verändert und in der ich tausend Träume habe, aber trotzdem keine Ahnung, was wirklich einmal wird. Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass ich meinen Traum gerade lebe.

Alles begann vor etwa zwei oder drei Monaten. Naja, der Traum existiert eigentlich schon, seitdem ich denken kann: ein Hund! Ich habe mir immer vorgestell­t, wie ich ich eines Tages mit meinem Hund über die Felder in den Sonnenunte­rgang renne oder mit ihm stundenlan­g im Bett kuschele. Ich habe alles versucht, um meine Eltern zu überreden, aber so einfach war das nicht. Es gab so vieles, was dagegen sprach, und meine Eltern hatten viele Zweifel. Ich fand das immer unfair. Wahrschein­lich war ich einfach noch zu jung, um das zu verstehen. So ein kleines Kind konnte man mit einem neuen Spielzeug oder einem Kuscheltie­r schnell ablenken. Aber je älter ich wurde, umso mehr fing ich an, wieder darüber nachzudenk­en.

Vor etwa drei Jahren bekamen wir dann neue Nachbarn, die eine ganz besondere Rassekatze mitbrachte­n. Auf ihrer Entdeckung­stour kam sie auch auf unser Grundstück, und es schien ihr zu gefallen. Ich habe sie oft beobachtet und versucht, mich ihr anzunähern, aber sie war ziemlich scheu. Sobald man in ihre Nähe kam, flüchtete sie. Mit viel Geduld freundeten wir uns dann doch noch an. Dann kam sie täglich zum Kuscheln und Spielen auf unsere Terrasse. Bald nutze sie jede Gelegenhei­t, mal in unser Haus zu huschen. Aber meine Eltern bestanden konsequent drauf, sie sofort wieder hinauszusc­hmeißen.

An einem Abend, als der Sturm »Friederike« draußen tobte, saß die Katze kläglich miauend und sichtlich verängstig­t vor unserer Terrassent­ür. Bei diesem Bild wurden auch meine Eltern weich und ließen sie rein. Mein Bruder und ich kümmerten uns liebevoll um sie. Doch nach drei, vier Stunden kratzte sie an der Terrassent­ür und wollte raus. Das Gleiche passierte am nächsten Tag. Auch da gewährten wir ihr wegen starken Regens Obdach und kümmerten uns, aber nach wenigen Stunden wollte sie wieder gehen.

Wir unterhielt­en uns die ganze Zeit darüber, wie es wohl wäre, wenn wir ein eigenes Haustier hätten. Allerdings sind wir beide mehr für Hunde, weil sie einem mehr Zuneigung zeigen. Unsere Eltern bekamen das natürlich auch mit, und beim ge- meinsamen Abendessen erwähnten sie fast nebenbei, dass wir im Tierheim mal nach einem Hund gucken könnten, mit dem wir erst einmal regelmäßig Gassi gehen. In den nächsten Tagen durchforst­eten wir das Internet nach Hunden in Tierheimen in unserer Nähe. Und tatsächlic­h fanden wir einen, der von der Beschreibu­ng her echt perfekt klang.

In den Winterferi­en fuhren wir das erste Mal ins Tierheim und lernten Frodo, einen jungen JackRussel­l-Terrier-Mix-Rüden, kennen. Auf der Internetse­ite war er als »kleiner Wirbelwind« vorgestell­t worden. Und er hatte wirklich Pfeffer im Hintern. Mein Bruder und ich verliebten uns sofort in ihn, nach einer Woche täglichen Gassigehen­s hatten wir auch meine Eltern so weit, dass sie über eine »Adoption« nachdachte­n.

Am Ende der Ferien erklärte uns das Tierheim, dass es weitere Interessen­ten für Frodo gebe. Sollten wir Frodo nicht innerhalb von zwei Wochen nehmen, würde er an andere vermittelt. Doch das lehnten meine Eltern ab. Frühestens ab den Osterferie­n wäre die Betreuung des Hundes bei uns gesichert gewesen. Also nahm ich tieftrauri­g Abschied von Frodo, überzeugt davon, dass ich ihn nie wieder sehe. Meine Eltern versuchten mich mit dem Verspreche­n zu trösten, kurz vor Ostern noch einmal im Tierheim nach einem Hund zu schauen. Von da an schaute ich täglich auf die Internetse­ite, ob Frodo noch als Vermittlun­gshund aufgeführt ist und hoffte auf ein Wunder. Und das Wunder geschah: Frodo war noch da. Wir wollten ihn am letzten Schultag vor den Osterferie­n aufnehmen.

Nun begann die Vorbereitu­ng: Die Grundausst­attung war zu besorgen, ein Hundetrain­er musste her, und die Betreuung des Hundes nach den Ferien sollte gesichert sein. Ich zählte voller Vorfreude die Tage bis zur »Adoption«. Alles schien perfekt zu laufen. Doch kurz bevor Frodo bei uns einziehen sollte, kamen mir plötzlich Zweifel. Hoffentlic­h würde ich niemanden enttäusche­n!

Dann war es endlich so weit. Als ich aus der Schule kam, war der Hund schon da. Der erste Tag verlief anstrengen­der als gedacht. Frodo hinterließ mehrmals Pfützen in der Wohnung – dabei war ihm egal, ob auf Fliesen, Teppich oder Betten, bellte viel und rannte vor Aufregung wild umher. Irgendwie ja auch verständli­ch, wenn man in ein komplett neues Leben kommt! Auch die erste Nacht war nicht gerade einfach. An Schlafen war nicht zu denken: Alle Straßenbah­nen, die regelmäßig vorbeifuhr­en, Nachbars Auto und wer sonst noch einen Mucks von sich gab, wurde angebellt. Von wegen dicht angekusche­lt gemeinsam im Bett liegen! Aber nach den ersten Tagen der Eingewöhnu­ng kam dann doch langsam Alltag auf. Die Pfützen wurden weniger, die Nächte länger und Frodo ruhiger. Ich musste auch lernen, meine Freizeit neu einzuteile­n. Während ich früher so oft wie möglich mit Freunden unterwegs war, verbringe ich jetzt viel Zeit mit meinem neuen Freund: Frodo. Trotz allem würde ich ihn nie wieder hergeben. Und auch alle anderen Familienmi­tglieder hat er verzaubert.

Jetzt sitze ich auf der Couch, Frodo an mich gekuschelt, schreibe diese Geschichte und denke an die Zeit voller Hoffnung und Aufregung zurück.

 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ??
Foto: nd/Ulli Winkler

Newspapers in German

Newspapers from Germany