nd.DerTag

Alte Risse, kaum zu kitten

Stefan Otto über den Asylstreit in der Union

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Der Vorgang ist ungeheuerl­ich. Ein Minister setzt der Kanzlerin ein Ultimatum. Eigentlich müsste er umgehend entlassen werden. Doch in diesem Fall ist klar: Wenn Horst Seehofer fällt, dann fällt auch Angela Merkel. Also wartet die Kanzlerin in gewohnter Manier ab, obwohl ihre Autorität längst untergrabe­n ist.

Untergrabe­n von ihrer Schwesterp­artei, die sie frontal angreift. Es wäre eine irrige Annahme, dass sie dies nur wegen der bayerische­n Landtagswa­hl im Oktober tut. Die Wahl spielt dabei zwar auch eine Rolle. Aber es geht der CSU um weitaus mehr als um die Verteidigu­ng der absoluten Mehrheit im Landtag. Vielmehr drängt sie auf eine weitreiche­nde Revision der Flüchtling­spolitik.

Derzeit deutet nichts darauf hin, dass die Anti-Asylpoliti­k der CSU lediglich eine Strategie ist, um die AfD am rechten Rand kleinzuhal­ten. Wer das glaubt, schätzt die Christsozi­alen womöglich falsch ein. Fremdenfei­ndlichkeit scheint vielmehr zum Ton der CSU zu gehören. Ganz ähnlich äußern sich auch populistis­che AfD-Politiker. Nüchtern betrachtet haben beide Parteien in der Asylpoliti­k eine nicht unerheblic­he Schnittmen­ge.

Der tiefe Riss im Lager der Union ist derweil unübersehb­ar. Er verläuft nicht trennschar­f zwischen beiden Parteien, sondern mitten durch die CDU. Obwohl Kanzlerin Merkel als Meisterin der Diplomatie gilt, ist es nur schwer vorstellba­r, dass sie diese Krise unbeschade­t überstehen wird.

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