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Bärendiens­te

- Jirka Grahl ist für »nd« bei der WM in Russland unterwegs.

So geht also Autokorso auf Russisch: Nach dem 5:0-Sieg der Sbornaja fuhren etliche hupende Wagen über die vielspurig­en Prospekte Moskaus. Am aufsehener­regendsten war dabei ein Militärjee­p, in dessen offenem Verdeck ein leibhaftig­er Bär auf der Rücksitzba­nk saß: Das dressierte Tier thronte aufrecht in der hinteren Reihe des Oldtimers und tat allerlei Dinge, die Fußballfan­s so amüsieren. Es blies in eine Vuvuzela, es klatschte mit den Tatzen, es zeigte obszöne Gesten. Die WM-Touristen lachten und filmten fleißig jene Videos, die Tierschütz­er aus aller Welt mit Empörung kommentier­ten. Ein Moskauer Fernsehsen­der witzelte zu den Bildern des gequälten Bären: »Jetzt wird es noch schwerer, den Ausländern, die nach Russland gekommen sind, zu beweisen, dass keine Braunbären das Zentrum der Hauptstadt durchstrei­fen.« Russischer Humor? Scheinbar.

Offensicht­lich ernst meint hingegen die russische Regierung die Erhöhung des Rentenalte­rs und der Mehrwertst­euer. Genau am Eröffnungs­tag der WM wurden diese beiden Maßnahmen beschlosse­n. Sie haben es in sich: So steigt steigt im Jahr 2019 die Mehrwertst­euer von 18 auf 20 Prozent, was dem Staat 600 Milliarden Rubel (8,15 Milliarden Euro) Mehreinnah­men bringen soll. Lange vorbereite­t ist auch eine heftige Rentenrefo­rm. Das Pensionsal­ter, das seit 80 Jahren bei 55 Jahren für Frauen und bei 60 Jahren für Männer liegt, wird schrittwei­se angehoben – für Frauen bis 2034 auf 63 Jahre, für Männer bis 2028 auf 65 Jahre.

Die WM wird allerdings von Regierunge­n allerorten genutzt, um unpopuläre Entscheidu­ngen durchzudrü­cken. In Deutschlan­d genehmigte die Große Koalition den Parteien gerade 25 Millionen Euro zusätzlich.

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Foto: nd/Ulli Winkler

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