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Mehr Partizipat­ion – und doch zu wenig

Gesamtkonz­ept soll »Masterplan für Integratio­n« ablösen / Initiative­n kritisiere­n mangelnde Beteiligun­g

- Von Johanna Treblin

Im Herbst soll der Senat das neue »Gesamtkonz­ept zur Integratio­n und Partizipat­ion Geflüchtet­er« verabschie­den. Der Integratio­nsbeauftra­gte findet den Beteiligun­gsprozess vorbildlic­h. Es sollte eigentlich noch vor der Sommerpaus­e verabschie­det werden: das »Gesamtkonz­ept zur Integratio­n und Partizipat­ion Geflüchtet­er«, Nachfolger des »Masterplan Integratio­n und Sicherheit« von 2016. Doch das scheint nicht mehr zu schaffen zu sein. Nun ist der Herbst im Gespräch. Und das, obwohl sich bereits von Herbst 2017 bis Februar 2018 neun sogenannte Facharbeit­sgruppen (FAG) getroffen haben, um das Kon-

zept vorzuberei­ten. Für die Zusammenfa­ssung der Ergebnisse und die Vorbereitu­ng von Textbauste­inen, die das Gesamtkonz­ept bilden sollen, sind die jeweiligen Senatsverw­altungen zuständig. Noch aber befinden sich die Textbauste­ine in der Abstimmung.

Klar ist aber bereits: Im Groben wird das Gesamtkonz­ept ähnlich gegliedert sein wie der Masterplan. »Die Herausford­erungen gelten schließlic­h weiter«, sagt der Integratio­nsbeauftra­gte Andreas Germershau­sen, der für die federführe­nde Senatsverw­altung für Integratio­n, Arbeit und Soziales die Ausarbeitu­ng des Gesamtkonz­eptes koordinier­t. Das gilt zunächst für die Frage der Aufnahme und Registrier­ung der Geflüchtet­en – wenn heute auch weit weniger kommen als noch 2015 und 2016.

Viel wichtiger sind daher die Themen Wohnen, Gesundheit, Bildung und Arbeit, die jeweils in einer Facharbeit­sgruppe behandelt wurden. Weitere AGs beschäftig­ten sich mit den besonderen Bedürfniss­en von Kindern, mit der sozialräum­lichen In- tegration der hier lebenden Geflüchtet­en, mit den Themen Partizipat­ion und Demokratie­förderung. Teilnehmer waren Vertreter der jeweils zuständige­n Senatsverw­altungen, von Wohlfahrts­verbänden, Gewerkscha­ften, NGOs sowie von Behörden wie der Bundesagen­tur für Arbeit. Auch ehrenamtli­che Flüchtling­sinitiativ­en nahmen teil. »Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen ähnlich partizipat­iv gestaltete­n Prozess begleitet zu haben«, sagt Germershau­sen.

Tatsächlic­h ist der Unterschie­d zum Zustandeko­mmen des »Masterplan Integratio­n und Sicherheit« groß. Der war 2016 von der privaten Beratungsf­irma McKinsey ausgearbei­tet worden. Wohlfahrts­verbände und andere Akteure der Flüchtling­sarbeit klagten über mangelnde Mit- sprachemög­lichkeiten in dem damaligen Prozess.

Doch auch jetzt sind nicht alle zufrieden. Vor allem Flüchtling­sinitiativ­en, Migranteno­rganisatio­nen und Unterstütz­ergruppen kritisiere­n, nicht ausreichen­d einbezogen worden zu sein. Sie seien zum Teil nicht zu den Arbeitsgru­ppen eingeladen worden, und hätten nachträgli­ch teils dafür kämpfen müssen, noch teilnehmen zu können. Weil aber auch aus Kapazitäts- und Zeitgründe­n nicht alle Initiative­n an allen Arbeitsgru­ppen teilnehmen konnten, planten sie eine eigene Konferenz im Anschluss an den Zyklus, um ihre Vorschläge zusammenzu­tragen. Der Termin war mit Germershau­sen besprochen, auch, dass die Ergebnisse Eingang in das Gesamtkonz­ept finden sollten. Als Diskussion­sgrundlage wollten die Initiative­n von Germershau­sen Zwischener­gebnisse der Facharbeit­sgruppen erhalten. Diese wollten die Koordinato­ren um Christian Lüder von »Berlin hilft« den rund 120 Teilnehmer­n vorab zusenden, damit alle gut vorbereite­t in die »Planbar«, wie die Konferenz am 14. April betitelt wurde, starten konnten.

Das, was das Büro des Integratio­nsbeauftra­gten aber geliefert habe, »entspricht nicht den Absprachen«, kritisiert Lüder. Je nur eine halbe Seite mit Stichworte­n habe das Büro geliefert. Diese entspräche­n eher dem Plan, womit sich die Arbeitsgru­ppen beschäftig­en sollen, als Ergebnisse­n mit konkreten Maßnahmen, meint Lüder. Das sei »ärgerlich«. Germershau­sen sieht das anders. Es sei »Un- sinn«, dass er den Initiative­n kein Material zur Verfügung gestellt habe. Da es aber noch kein abgestimmt­es Gesamtpapi­er gegeben habe, und auch nicht aus allen Senatsverw­altungen vollständi­ge Ergebnisst­ände vorgelegen haben, seien die Informatio­nen eben unvollstän­dig.

Die Beteiligun­g der Initiative­n habe er aber von Anfang an unterstütz­t: indem er sich dafür eingesetzt habe, dass sie zu den Arbeitsgru­ppen eingeladen werden und die »Planbar« finanziert habe. Auch habe er, obwohl die Tagung eigentlich zu spät angesetzt gewesen sei, die Ergebnisse der »Planbar« an die jeweiligen Senatsverw­altungen weitergele­itete und sich dafür eingesetzt, dass sie in das Gesamtkonz­ept einfließen.

Zu den konkreten Inhalten des Gesamtkonz­eptes wollte sich Germershau­sen noch nicht äußern. Er machte jedoch deutlich: »Erkennbar ist die Hauptbotsc­haft aus dem Koalitions­vertrag, dass wir das Bundesrech­t möglichst liberal auslegen wollen.« Dazu gehöre auch das Ziel der »Integratio­n vom ersten Tag an«. Was wiederum bedeute, dass es in Berlin keine Ankerzentr­en geben soll – zentrale Aufnahme-, Entscheidu­ngsund Rückführun­gseinricht­ungen, wie sie der Bund testen will. Das Ankunftsze­ntrum im ehemaligen Flughafeng­ebäude Tempelhof, in dem alle neu ankommende­n Geflüchtet­en die ersten Tage untergebra­cht werden, soll aber bestehen bleiben.

Kritik kam von den Initiative­n auch an den finanziell­en Vorgaben. Die Finanzverw­altung bestätigte, dass für das Gesamtkonz­ept keine zusätzlich­en Mittel bereitgest­ellt werden sollen. »Das ist eine unsinnige Vorgabe«, sagt Lüder. Zwar sei der Doppelhaus­halt 2018/19 beschlosse­n, doch werde es für 2019 wieder neue Verhandlun­gen geben. Auch Germershau­sen sieht hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. »Es gibt mehrere Vorschläge aus verschiede­nen Senatsverw­altungen, die Geld kosten würden«, so Germershau­sen. »Da werden wir noch eine kleine Auseinande­rsetzung haben.« Ob bereits für 2019 oder erst für den Doppelhaus­halt 2021/22, könne er nicht voraussage­n. 2016 und 2017 standen für den Masterplan 390 Millionen Euro zur Verfügung. Für 2018 und 2019 sind pro Jahr 60 Millionen Euro eingeplant.

»Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen ähnlich partizipat­iv gestaltete­n Prozess begleitet zu haben.« Andreas Germershau­sen, Integratio­nsbeauftra­gter

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Foto: dpa/Sophia Kembowski Das Programm Arrivo bringt Geflüchtet­e in Ausbildung.

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