nd.DerTag

Ausreden

- Von Paula Irmschler

Alle zwei Jahre immer die gleichen Gespräche, hab ich da schon wieder einen Bock drauf. Ob man denn nun wieder mitmacht in diesem Jahr oder nicht und warum oder warum nicht, beziehungs­weise warum sonst schon, aber in diesem Jahr nicht, oder warum sonst nicht, aber diesmal (ich verliere den Faden)? Es kommt so selbstvers­tändlich und regelmäßig wie Abwägungen über das Besuchen von Weihnachts­märkten, ob man groß Geburtstag feiern sollte oder ob Ehe aus pragmatisc­hen Gründen nicht doch in Betracht zu ziehen sei. Selbstvers­tändlich handelt es sich beim Fußball noch immer und vor allem um ein Ding von Jungs für Jungs mit Jungs und somit ist es dann auch die ganze Zeit Thema unter ebenjenen, ob in der Begeisteru­ng oder der (vermeintli­chen) Ablehnung.

Linke Jungs sind dabei ein spezieller Fall, weil sie ja eigentlich anders sein wollen als der fahnenschw­enkende Patriotend­ödel, aber mehrere Jahrzehnte Sozialisat­ion kann und will man eben nicht einfach abschüttel­n. Also wird fachmännis­ch über den Untergang von Kultur und Traditions­fußball schwadroni­ert und dass es früher noch um richtigen Sport ging, aber heute ist nur noch Kapitalism­us und Kor- ruption. Ich sage: Das ganze Gezeter um profession­ellen Fußball ist seit jeher beschissen, weil es nie allein um Sport ging, sondern stets um Identität, Männlichke­it und Ausverkauf, wie überall.

Linke Jungs üben sich bei jeder sich nähernden WM oder EM im nahezu profession­ellen Hinund -herwinden, um nicht eingestehe­n zu müssen, dass sie einfach Bock haben, sich jeden Tag Geballer reinzuzieh­en und sich mit anderen Männern einen reinzustel­len. Schließlic­h ist man vor ein paar Jahren noch durch die Straßen gezogen und hat Fahnen abgerissen, was einem, ebenfalls identitäre, Ersatzbefr­iedigung beschafft hat.

Das geht aber in den Zwanzigern und Dreißigern nicht mehr, weil es Konsequenz­en hat, also kehrt man wieder zurück in den Schoß der Fußballhei­nis, weil sich gar nicht verhalten auch nicht geht. Dabei tut man so, als sehe man alles entspannte­r, ist wenigstens gegen Deutschlan­d und für die Underdogs, geht in den Biergarten, denn es ist zufällig Sommer und wie soll man sich dagegen wehren, schalalala. Auch die reflektier­testen Typen flippen aus, wenn es um Fußball geht. Wie oft habe ich es erlebt, dass linke Typen, die sich sonst gegen Männergeha­be ausspreche­n, Tiergeräus­che machend vorm Fernseher sitzen. Ausreden gibt es nun mal genug: Männerfußb­all ist einfach ästhetisch wegen der Profession­alisierung und weitere tausend Wörter, um nicht zu sagen, dass man Gegebenes einfach nicht hinterfrag­en will. Es stimmt ja: Fußball ist ein schöner Sport. Solange Männer sich jedoch nicht besoffen in den Armen liegen, wenn Frauen Sport machen, nehme ich ihnen einfach nicht ab, dass es ihnen um diesen ginge.

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