nd.DerTag

Asyl statt Abschiebun­g

Johann Wiede über die neu gegründete Initiative »Bürger*innen-Asyl Berlin«

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Eine Initiative bietet Geflüchtet­en private Schutzräum­e.

Johann Wiede engagiert sich seit mehreren Jahren in Unterstütz­er*innen-Gruppen für Geflüchtet­e und ist in der Mediengrup­pe Oplatz aktiv. Mit Johanna Treblin sprach er über die neue Initiative »Bürger*innen-Asyl Berlin«. Am Dienstag lädt sie in die Kontaktund Beratungss­telle in der Oranienstr­aße 159 in Kreuzberg zu einer Informatio­nsveransta­ltung ein. Bürger*innen-Asyl, was ist das? Mehr als Soli-Zimmer, die beispielsw­eise Wohngemein­schaften kostenlos zur Verfügung stellen, um Geflüchtet­e dort wohnen zu lassen?

Bei uns geht es nicht um Schlaf-, sondern um Schutzräum­e. Es gibt viele Initiative­n in Berlin, die Geflüchtet­e unterstütz­en. Das Bürger*innen-Asyl greift als letzte Chance, wenn ein Mensch abgeschobe­n werden soll. Wir wollen Abschiebun­gen verhindern.

Das heißt, Sie verstecken die Betroffene­n in Privatwohn­ungen? Wir wollen es den Behörden schwer machen, sie aufzufinde­n. Letztlich geht es darum, Zeit zu gewinnen. Nach Dublin-Verordnung können Menschen nur innerhalb der ersten sechs Monate, die sie sich in Deutschlan­d aufhalten, in ein anderes EU-Land – das, in dem sie als erstes registrier­t wurden, – abgeschobe­n werden. Wenn sie nicht als untergetau­cht gelten. Anschließe­nd muss der Asylantrag von Deutschlan­d übernommen werden. Dabei wollen wir helfen.

Am Dienstagab­end planen Sie dazu eine Podiumsdis­kussion und Informatio­nsveransta­ltung. Wäre es nicht besser, die Menschen heimlich zu verstecken?

Geheime Bürger*innen-Asyle hat es schon immer gegeben und wird es auch weiterhin geben. Jetzt nehmen aber die Abschiebun­gen zu. Gleichzeit­ig werden sie immer mehr als Normalität angesehen. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, in den öffentlich­en Diskurs einzugreif­en und klar Haltung zu zeigen. Wir sehen es aber auch als unsere Aufgabe an, auf die derzeitige rechtlich umstritten­e Situation hinzuweise­n.

Das heißt?

Der Schutzstat­us von Flüchtling­en wird zuerst politisch in Frage gestellt, anschließe­nd gesellscha­ftlich und wird dann in rechtliche Form gegossen. Dennoch gibt es dabei vie- le rechtlich umstritten­e Fragen. Wenn ein Bundesland wie Berlin nicht nach Afghanista­n abschiebt, weil Afghanista­n nicht sicher ist, dann aber im Rahmen der DublinVero­rdnung nach Schweden abschiebt, obwohl bekannt ist, dass Schweden Abschiebun­gen nach Afghanista­n zulässt, ist das unter Umständen nicht rechtmäßig.

Kann man sich das Bürger*innenAsyl vorstellen wie ein Kirchenasy­l?

Wir verstehen uns als parallele Struktur zum Kirchenasy­l, aber ohne den dort garantiert­en Schutz durch die Übereinkun­ft mit staatliche­n Akteuren. Auch wir bieten Schutz, Wohnraum und wollen Abschiebun­gen rechtlich verhindern. Tatsache ist, dass die Betroffene­n den Behörden eine Adresse mitteilen müssen. Wir suchen Menschen, die für solche Fälle ihre Adresse angeben.

Gibt es bereits Bürger*innen-Asyle in Berlin?

Geheime ja, öffentlich­e im Rahmen unserer Initiative nicht. Wir sehen uns als Teil einer Bewegung von solidarisc­hen Städten in ganz Deutschlan­d. In Göttingen, Hanau, Freiburg und Stuttgart gibt es bereits öffentlich­e Kampagnen für ein Bürger*innen-Asyl, und in etwa zehn weiteren Städten bilden sich gerade Initiative­n. Wir hoffen, in Berlin in zwei Wochen starten zu können. Dafür brauchen wir aber erst einmal mehr Menschen, die die Idee unterstütz­en. Die wollen wir am Dienstag bei unserer Veranstalt­ung in der Kontakt- und Beratungss­telle KuB erreichen.

Um eine Adresse zur Verfügung zu stellen?

Es gibt viele verschiede­ne Möglichkei­ten der Unterstütz­ung: Wir brauchen ein großes Netzwerk an Adressen, die Betroffene bei Behörden angeben können, wir brauchen Schlafplät­ze. Wir brauchen Menschen, die öffentlich sagen, dass sie Bürger*innen-Asyle anbieten, und wir brauchen Geld, um Mieten zu finanziere­n oder Anwälte zu bezahlen. Es geht auch darum, diejenigen, die bereits geheime Bürger*innenAsyle anbieten, zu unterstütz­en: sich gegenseiti­g zu vernetzen und zu zeigen, dass man nicht alleine dasteht.

Und falls es tatsächlic­h einmal zu einer Klage gegen die Initiative kommt oder gegen Menschen, die ein Zimmer anbieten, dann bietet ein großes Netzwerk von Menschen, die dahinter stehen, auch Schutz – und eine größere Basis, um einerseits eine politische Diskussion anzuschieb­en und um Geld und Unterstütz­ung für eventuell notwendige Gerichtsko­sten zusammenzu­bekommen.

Heißt das, man kann an die Initiative spenden?

Noch ist Geld kein wichtiges Thema, bis jetzt haben wir nur Flyerkoste­n. Aber das wird natürlich noch wich- tig werden – sobald wir die ersten Zimmer haben, die bezahlt werden müssen. Spenden im klassische­n Sinne können wir nicht annehmen, wir sind kein Verein. Wir denken eher an Soli-Partys und an eine Art Mikrofinan­zierung, also Geld für die Miete im Bekanntenk­reis einsammeln. Wenn ein Zimmer 300 Euro kostet, dann müssen nur 30 Leute je 10 Euro zahlen. Sechs Monate sind ja auch ein absehbarer Zeitraum.

Stichwort Rechtsanwä­lte: Welche rechtliche­n Konsequenz­en haben Menschen zu befürchten, die Betroffene verstecken?

Auch da ist die Rechtslage nicht eindeutig. Es gibt aber noch niemanden, der deswegen in Deutschlan­d verklagt wurde. Wir lassen uns von Anwälten beraten, und einer wird auch am Dienstag bei der Veranstalt­ung dabei sein.

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Foto: imago/Christian Mang Flüchtling­e vom Oranienpla­tz besetzten 2012 eine Kirche.
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Foto: nd/Ulli Winkler

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