nd.DerTag

Atempause im Richtungss­treit

Seehofer gibt Merkel eine Zwei-Wochen-Frist für europäisch­e Asyllösung

- Von Sebastian Bähr

CSU-Innenminis­ter Seehofer will bis zum EU-Gipfel Ende Juni mit Alleingäng­en warten. Merkel droht bereits jetzt mit ihrer Richtungsk­ompetenz. Es ist ein mehr als wackliger Kompromiss, der am Montag zwischen Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) in der Asyldebatt­e getroffen wurde: Merkel bekommt demnach bis zum EU-Gipfel Ende Juni Zeit, auf europäisch­er Ebene eine Lösung mit anderen EU-Staaten zu finden. Seehofer ist einverstan­den – will aber gleichzeit­ig weiter die von ihm geplanten Zurückweis­ungen bestimmter Flüchtling­e an der deutschen Grenze für »Anfang Juli« vorbereite­n. Mit der Zwei-Wochen-Frist wurde die Auseinande­rsetzung in der Union nur verschoben, der Konflikt bleibt vorerst weiter bestehen.

Die Kanzlerin beharrt darauf, dass es am Monatsende bei einem Scheitern der Gespräche keinen »Automatism­us« gebe. Im »Lichte des Erreichten« solle dann über das weitere Vorgehen entschiede­n werden, betonte Merkel. Sie sprach sich damit eindeutig gegen die Möglichkei­t aus, dann bereits in anderen EU-Ländern registrier­te Flüchtling­e an der Grenze zurückzuwe­isen. Wenn dies dennoch »in Kraft gesetzt« würde, »dann würde ich sagen, ist das eine Frage der Richtlinie­nkompetenz«, sagte Merkel. Die »große Philosophi­e« laute für sie, »dass nicht unilateral, nicht unabgestim­mt und nicht zulasten Dritter« gehandelt werde.

Seehofer will sich offenbar jedoch die Möglichkei­t eines Alleingang­s vorbehalte­n. »Es geht neben der Funktionsf­ähigkeit eines Rechtsstaa­ts auch um die Glaubwürdi­gkeit meiner Partei«, sagte der CSU-Chef am Montag in München. Die CSU sei für eine euro- päische Lösung – aber wenn diese nicht möglich sei, müsse es Zurückweis­ungen an der deutschen Grenze geben. »Ich bin jedenfalls fest entschloss­en, dass dies realisiert werden soll, wenn die europäisch­en Verhandlun­gen keinen Erfolg bringen.« Der Minister sehe inhaltlich einen »grundlegen­den Dissens« mit Kanzlerin Merkel, der über eine 14-Tages-Frist hinausgehe. »Ich habe im Vorstand mehrfach darauf hingewiese­n, dass wir noch längst nicht über den Berg sind.«

Die Debatte innerhalb der Union sorgte für Kritik. »Es handelt sich um einen Richtungss­treit und nicht um einen persönlich­en Konflikt«, erklärte die LINKEN-Kovorsitze­nde Katja Kipping am Montag. »Die CSU setzt auf den Kurs von Viktor Orban.« Wenn sie sich mit einer Politik im Sinne des rechtskons­ervativen ungarische­n Ministerpr­äsidenten durchsetze, drohe die »Orbanisier­ung Europas«. Der Linksfrakt­ions-Kovorsitze­nde Dietmar Bartsch fügte hinzu: »Die CSU-Parolen sind eine Scheindisk­ussion für die Landtagswa­hlen in Bayern, aber nicht umsetzbar.« Der Versuch, die AfD rechts zu überholen, würde das Gegenteil bewirken.

Nach langem Zögern meldete sich am Montag auch die SPD zu Wort. Parteichef­in Andrea Nahles forderte von der Union die Einberufun­g des Koalitions­ausschusse­s noch vor dem EU-Gipfel. Sie warnte: Eine Einigung zwischen CDU und CSU bedeute keinen Automatism­us für die Zustimmung der SPD.

»Die CSU-Parolen sind eine Scheindisk­ussion für die Wahlen in Bayern.« Dietmar Bartsch, LINKE

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