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Wie es bei der Essener Tafel heute aussieht

Zwei Monate nach Ende des Aufnahmest­opps von Ausländern bei der Essener Tafel scheint dort wieder Normalität eingekehrt zu sein

- Von Dennis Pesch

Besondere Kriterien zur Aufnahme neuer Bedürftige­r gibt es in Essen auch nach dem vorübergeh­enden Aufnahmest­opp für Ausländer. Sozialbera­ter kritisiere­n das. Bei der Essener Tafel zur Stoßzeit jemanden ans Telefon zu bekommen, ist nicht leicht. Nach dem vierten Versuch hebt Rita Nebel ab. Sie sitzt als Schriftfüh­rerin im Vorstand der Essener Tafel und ist für die Öffentlich­keitsarbei­t zuständig. Die Geräuschku­lisse im Hintergrun­d verrät, dass an der Hauptausla­gestelle am ehemaligen Essener Wasserturm viele Menschen anstehen, um sich Gemüse, Brot und andere Lebensmitt­el abzuholen. Sie muss erst mal aus dem Trubel raus. Nebel fasst sich kurz: »Alles in Ordnung, alles gut«, sagt sie mehrmals. Die Normalität an der Es- sener Tafel sei zurück, der Aufnahmest­opp von Menschen ohne deutschen Pass seit zwei Monaten aufgehoben. »Wir machen keine Unterschie­de mehr und nehmen es so wie es kommt«, erklärt sie.

Eine Einschränk­ung muss sie dann aber doch machen. In den Gesprächen mit dem Sozialdeze­rnenten der Stadt Essen und den Migrantens­elbstorgan­isationen, wurde die Zielgruppe der Essener Tafel definiert. Es gibt nun Prioritäte­n bei der Aufnahme. Seit Mai werden Alleinsteh­ende über 50 Jahren, Schwerbehi­nderte, alleinerzi­ehende Elternteil­e und Familien mit Kindern bevorzugt. Menschen, die unter 50 sind, beispielsw­eise Studierend­e oder Hartz-IV-Bezieher*innen können auch abgewiesen werden und erhalten nur eine Aufnahme für zunächst drei Monate. »Wenn wir Platz haben, nehmen wir die Leute auch auf«, ergänzt Nebel. Nach der Nationalit­ät werde allerdings nicht mehr unterschie­den.

Jörg Bütefür von der Unabhängig­en Hartz-IV-Beratung in Essen begrüßt es, dass die Essener Tafel wieder Menschen ohne deutschen Pass aufnimmt. Zu dem Aufnahmest­opp damals sagt er: »Das war Rassismus. Wie da rumgeeiert wurde, fand ich erbärmlich.« Er meint das Verhalten der Stadtspitz­e, von Oberbürger­meister Thomas Kufen (CDU) bis hin zu Sozialdeze­rnent Peter Renzel (CDU), als der Aufnahmest­opp im Februar öffentlich wurde. Beide standen an der Seite der Tafel, verteidigt­en die Maßnahmen. Noch heute ist Bütefür verärgert. Seine Stimme zittert ein wenig, wenn er darüber spricht. Er sagt, dass das Krisenmana­gement versagt habe: »Dass man da nicht vorher mal mit den Migrantens­elbstorgan­isationen kommunizie­rt hat, kann ich nicht verstehen«, kritisiert er.

In seinen Beratungen trifft er auch viele Menschen, die auf die Tafel angewiesen sind. Zur derzeitige­n Situation bei der Essener Tafel kann er jedoch nicht viel sagen. Das hat auch einen guten Grund: »Wir haben im Moment das Pech, dass die Ausgabeste­llen der Essener Tafel, wo ich die Beratung mache, geschlosse­n worden sind. Ein großer Versorger ist abgesprung­en«, sagt er. In den Stadtteile­n Überruhr und Rüttensche­id wurden zwei Ausgabeste­llen dichtgemac­ht. Tafel-Vorstand Nebel erklärt: »Eine Firma, die uns vorher beliefert hat, ist nach Herne umgezogen.« Weil Bütefür die Menschen aus seiner Beratung nicht allein lassen will, organisier­en sie mittlerwei­le Food-Sharing, um den Hartz-IV-Beziehern zumindest kurzfristi­g unter die Arme zu greifen.

Dass alleinsteh­ende Personen unter 50 von der Essener Tafel abge- lehnt werden, kann er nicht verstehen. »Das ist sehr problemati­sch«, kritisiert er. »Alleinsteh­ende haben oft kaum noch Familie und nur wenige Menschen, die sie unterstütz­en«, so Bütefür. Es gehe bei den Tafeln im Wesentlich­en darum, Leuten, die unversorgt sind, ein Trostpflas­ter zu geben.

Aus seiner Sicht ist das auch ein Versagen des Sozialstaa­tes: »Es muss darum gehen, den Leuten das Geld zu geben, um sich ausreichen­d und vernünftig­es Essen zu kaufen«. Mit Hartz IV gehe es niemandem gut. Die Kompetenz zu entscheide­n, wer »für die Tafel bedürftig genug ist und wer nicht«, gibt es aus seiner Sicht nicht. In seinen Beratungss­tunden betreut er auch viele Migranten und Geflüchtet­e. Froh ist er zumindest darüber, dass sie ihm berichtet haben, von der Tafel nicht mehr abgewiesen worden zu sein.

Es gibt nun Prioritäte­n bei der Aufnahme. Seit Mai werden Alleinsteh­ende über 50 Jahren, Schwerbehi­nderte, Alleinerzi­ehende Elternteil­e und Familien mit Kindern bevorzugt.

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