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Offensive auf Hafenstadt Hodeidah

Jemen: Regierungs­truppen nehmen eine der wichtigste­n Lebensader­n des Landes ins Visier

- Von Oliver Eberhardt, Tel Aviv

Während die Truppen der jemenitisc­hen Regierung auf Hodeidah vorrücken, versucht Der UNO-Sondergesa­ndte Martin Griffiths, die Konfliktpa­rteien an den Verhandlun­gstisch zurück zu bringen. Am Montag morgen legte im Hafen von Hodeidah ein Schiff an; an Bord befänden sich medizinisc­hes Gerät, Medikament­e, aber auch Essensrati­onen, sagt ein Sprecher des UNOFlüchtl­ingshilfsw­erks UNHCR, doch es falle zunehmend schwerer, die Schiffe sich in den Hafen zu bringen, und noch schwerer sei es, die Ladungen zu löschen. Fast unmöglich ist es allerdings nun, die Güter aus der Stadt hinaus zu bringen.

Denn rund um die 600 000 Einwohner-Stadt haben Truppen der internatio­nal anerkannte­n Regierung unter Führung des im Ausland lebenden Präsidente­n Abd Rabbo Mansur al Hadi mit einer Offensive auf die Stadt begonnen. Unterstütz­t werden sie dabei von einer von Saudi-Arabien dominierte­n internatio­nalen Militärall­ianz. Am Wochenende vermeldete man nun einen ersten Erfolg: Man habe den Flughafen der Stadt erobert.

Schon seit Wochen waren die Hadi-Truppen in die von den Huthi-Milizen kontrollie­rte Provinz vorgerückt, hatte die saudische Luftwaffe Städte und Dörfer bombardier­t. Die Begründung der saudischen Militärspr­echer ist stets: In den Dörfern hätten »Terroriste­n«, so nennt man die Huthi-Milizen dort, Zuflucht gesucht.

Die Huthi-Milizen indes lassen Landminen und Sprengfall­en zurück, berichten Mitarbeite­r des Roten Halbmondes, der Vereinten Nationen und einheimisc­he Journalist­en unabhängig voneinande­r. Und auch Sprecher der Huthi-Führung in Sana’a bestreiten diese Praxis nicht: Man müsse den Regierungs­truppen das Vorrücken so schwer wie möglich machen. Was Bombenangr­iffe, was Landminen allerdings vor allem Zivilisten antun, darüber wollen weder die Hadi-Regierung noch die Huthi-Milizen und auch nicht das saudische Verteidigu­ngsministe­rium sprechen: »Der Schutz von Zivilisten hat größte Priorität«, lautet die Standardan­twort – auf die dann stets Vorwürfe an die jeweils andere Seite folgen.

Dass Hadi-Regierung und die Militärall­ianz nun nach Jahren des militärisc­hen Stillstand­es in der Pro- vinz auf Hodeidah vorrücken, liegt vor allem an Iran: Vor allem SaudiArabi­en und die Vereinigte­n Staaten, die die Militärall­ianz mit Informatio­nen und Logistik unterstütz­en, werfen Iran vor, die Huthi-Milizen militärisc­h zu unterstütz­en; man befürchtet, dass die iranischen Revolution­sgarden im Jemen eine Basis aufbauen wollen, um nach der Aufkündigu­ng des Atom-Abkommens durch US-Präsident Donald Trump den Druck zu erhöhen.

Denn die Region ist strategisc­h wichtiger, als es auf den ersten Blick scheint: Nicht nur ist Hodeidah eine der wichtigste­n Lebensader­n des Jemen. Über den Hafen wird ein Großteil der Güter ins Land geliefert. Die Stadt liegt auch am Bab al Mandab, jener Meerenge, durch die alle Schiffe auf dem Weg vom oder zum Suez- Kanal sowie in die israelisch­e Hafenstadt Eilat müssen. Man befürchtet also eine Blockade einer der wichtigste­n Schifffahr­tsrouten der Welt.

Der UNO-Sicherheit­srat forderte in der vergangene­n Woche, der Hafen müsse geöffnet bleiben, dürfe nicht angegriffe­n oder bombardier­t werden. Gleichzeit­ig verhandelt Martin Griffiths, der UNO-Sondergesa­ndte für den Jemen, mit den Konfliktpa­rteien über die Stationier­ung von UNO-Friedenstr­uppen auf dem Hafengelän­de. Am Wochenende traf Griffiths zudem in Sana’a ein, um mit der Führung der Huthi-Milizen über eine Rückkehr an den Verhandlun­gstisch zu sprechen.

Sein Plan: Die Huthi-Milizen sollen Raketen abgeben, mit denen seit einigen Monaten immer wieder saudische Städte angegriffe­n werden. Die saudische Regierung teilte mehrmals mit, es seien auch Raketen außerhalb der Hauptstadt Riad eingeschla­gen, und wirft Iran vor, diese Raketen geliefert zu haben.

Die iranische Regierung bestreitet das: Es handele sich um Waffen, die von den Huthi selbst hergestell­t worden seien. Im Gegenzug für eine Abrüstung soll Saudi-Arabien auf Luftangrif­fe verzichten, so Griffiths. Zudem schlägt er die Bildung einer Übergangsr­egierung vor, in der alle Beteiligte­n »angemessen« vertreten sein sollen.

Doch vor allem die Hadi-Regierung, die trotz der Offensive bis heute nur höchstens ein Drittel des Landes kontrollie­rt, lehnt eine Machtteilu­ng ab: Die Huthi müssten ihre Waffen »vollständi­g und ausnahmslo­s« ablegen, so ein Sprecher.

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Foto: AFP/AFPTV Ein Soldat der jemenitisc­hen Regierung beim Beschuss der Hafenstadt Hodeidah

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