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Fällige Strafe für General Electric

Konzern hält nach Übernahme von Alstom-Sparte in Frankreich Jobzusagen nicht ein

- Von Ralf Klingsieck, Paris

General Electric plant einen umfangreic­hen Stellenabb­au in Europa. Offenbar fühlt man sich nicht mehr an ein paar Jahre altes Verspreche­n in Frankreich gebunden. Die Gewerkscha­ften sind sauer. Der US-Mischkonze­rn General Electric (GE), der 2014 den Energieber­eich der französisc­hen Alstom-Gruppe übernommen und dabei 1000 neue Arbeitsplä­tze bis Ende 2018 versproche­n hat, kann sein Wort nicht halten. Bis heute sind davon erst 323 Stellen geschaffen, räumte Konzernche­f John Flannery während seiner gegenwärti­gen Europa-Rundreise im Gespräch mit dem französisc­hen Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire ein. Zur Begründung verwies er auf »ungünstige wirtschaft­liche Rahmenbedi­ngungen und Entwicklun­gen auf dem Weltmarkt«.

General Electric hatte seinerzeit die Übernahme durchgeset­zt, obwohl die Beschäftig­en, die Gewerkscha­ften und auch Industriem­inister Arnaud Montebourg dagegen waren, den Energieber­eich von Alstom mit seinen 11 000 Beschäftig­ten für 13,5 Milliarden Euro an den US-Konzern zu verkaufen und die Schienentr­ansportspa­rte mit Siemens zu fusioniere­n. Doch der seinerzeit­ige Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron hatte den ihm unterstell­ten Montebourg zurückgepf­iffen und ihm jede weitere Initiative in dieser Angelegenh­eit untersagt. »Wir sind doch hier nicht in Venezuela«, begründete Macron den Verzicht auf ein Machtwort des Staates.

Seitdem hat der weltweite Einbruch der Nachfrage nach Kraftwerks­technik bei General Electric alle Prognosen über den Haufen geworfen. Und statt weiter zu expandiere­n, regiert dort seit einigen Monaten der Rotstift. Nachdem das vergangene Jahr mit einem Defizit von sechs Milliarden Dollar abgeschlos­sen wurde, trat mit Beginn des laufenden Jahres ein Restruktur­ierungspla­n in Kraft, in dessen Rahmen weltweit 12 000 Arbeitsplä­tze geopfert werden, davon allein 4500 ehemalige Alstom-Posten in Europa.

In diese Zahl war Frankreich noch gar nicht einbezogen, weil es hier ja den Vertrag mit der Regierung gab. Doch inzwischen hat GE auch die Streichung von insgesamt 765 Arbeitsplä­tzen an seinen verschiede­nen Standorten in Frankreich beschlosse­n, was nach Protestakt­ionen auf 475 reduziert wurde. Gegenwärti­g ist ein weiterer Sozialplan für den auf Turbinen für Wasserkraf­twerke spezialisi­erten GE-Standort in Grenoble in Vorbereitu­ng, wo bis Ende des Jahres weitere 100 Arbeitsplä­tze wegfallen sollen.

Die französisc­hen Gewerkscha­ften sind durch die Wende nicht überrascht, denn sie haben nie an die an die Wand gemalten Zahlen des USKonzerns geglaubt. »Nach unserer Überzeugun­g war der GE-Führung von Anfang an klar, dass die 1000 Arbeitsplä­tze irreal sein würden, aber man hat die Regierung bis zuletzt mit schönen Worte hingehalte­n und so erreicht, dass sie der Entwicklun­g tatenlos zugesehen hat«, meint Rosa Mendès, Vertreteri­n der Gewerkscha­ft CFDT im Betriebsra­t von General Electric in Frankreich. Die Arbeitnehm­ervertretu­ng hat in einem Schreiben an Premiermin­ister Edouard Philippe dazu aufgerufen, sich mit aller Kraft für den Erhalt des Fachwissen­s, der Standorte und der Arbeitsplä­tze der traditions­reichen Alstom-Energiespa­rte in Frankreich zu engagieren. Wie Ex-Industriem­inister Montebourg fordern auch die Gewerkscha­ften von der Regierung, die Strafgebüh­r einzuforde­rn. Vertrag- lich waren für jeden zugesagten, aber nicht geschaffen­en Arbeitspla­tz 50 000 Euro vereinbart. Angesichts der ausstehend­en Posten müsste GE fast 34 Millionen Euro in einen Investitio­nsfonds einzahlen, aus dem neue Industriep­rojekte eine Anschubfin­anzierung erhalten sollen.

Die Regierung zeigt jedoch keine Eile und verweist darauf, dass erst Ende des Jahres abgerechne­t werden muss. Doch selbst 34 Millionen Euro dürfte der Konzern leicht verschmerz­en, wenn man diese Strafe zum weltweiten Konzernums­atz setzt: 100 Milliarden Euro.

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Foto: AFP/Loic Venance Logo von General Electric an einem Werk in Montoir-de-Bretagne in Westfrankr­eich

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