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Licht ins Dunkel der Schattenfi­nanzzentre­n

Britisches Parlament will Überseegeb­iete zu mehr Transparen­z verpflicht­en – einige verweigern sich

- Von Peter Stäuber, London

Zu den wichtigste­n Steueroase­n der Welt gehören britische Überseegeb­iete und die Kanalinsel­n. Lange stellte sich London schützend vor sie – doch das ändert sich langsam. Vor wenigen Wochen hatte es so ausgesehen, als sei die Kampagne gegen globale Steuerhint­erziehung einen entscheide­nden Schritt weitergeko­mmen. Das britische Parlament verabschie­dete im Mai ein Gesetz, das die 14 britischen Überseegeb­iete zu größerer finanziell­er Transparen­z verpflicht­et. Betroffen wären einige der wichtigste­n Steueroase­n der Welt wie die Cayman Islands, Bermuda und die British Virgin Islands. Aber jetzt regt sich Widerstand: Mindestens zwei Territorie­n planen, den Beschluss gerichtlic­h anzufechte­n.

Seit Jahren steht London unter Druck, die laxe Finanzregu­lierung dieser Gebietskör­perschafte­n zu unterbinde­n. Vor allem die karibische­n Inseln locken mit niedrigen Steuern und strenger Geheimhalt­ung riesige Finanzströ­me an – sie zählen zu den undurchsic­htigsten Schattenfi­nanzzentre­n der Welt. Bereits 2013 mahnte der damalige britische Premiermin­ister David Cameron die Gebiete, sich an internatio­nale Steuerabko­mmen zu halten.

Die sogenannte­n Overseas Territorie­s sind zwar formell unabhängig, unterliege­n jedoch weitgehend der Kontrolle des britischen Außenminis­teriums. Die Gouverneur­e werden von London bestimmt, das britische Parlament hat unbeschrän­kte Befugnis, Gesetze vorzuschre­iben. Entschloss­ene Versuche, Steuerhint­erziehung zu erschweren, unterließ die Regierung jedoch – auch aus Eigeninter­esse: Die City of London, wichtigste­s globales Finanzzent­rum und Kraftwerk der britischen Wirtschaft, profitiert seit Jahrzehnte­n von der engen Beziehung zu den Offshore-Gebieten. Laut dem Netzwerk Steuergere­chtigkeit verfolgt Großbritan­nien eine bewusste Strategie, finanziell­e Geheimhalt­ung an die Überseegeb­iete und die Kanalinsel­n auszulager­n. 2017 konnte die britische Regierung zudem verhindern, dass die EU die Überseege- biete auf ihre schwarze Liste der Schattenfi­nanzzentre­n setzt; stattdesse­n sind sie in der grauen Liste der Finanzplät­ze aufgeführt, die lediglich unter Beobachtun­g stehen.

Wie wichtig die karibische­n Inseln für das globale Offshore-System sind, zeigten die Panama-Papers, die im April 2016 an die Öffentlich­keit gelangten: Laut der Antikorrup­tionsorgan­isation Transparen­cy Internatio­nal ist die Hälfte der in den Dokumenten erwähnten Firmen auf den British Virgin Islands registrier­t. Auch in den Paradise Papers, die im vergangene­n November publik wurden, tauchen die karibische­n OffshoreZe­ntren immer wieder auf. Das Herzogtum Lancaster beispielsw­eise, das zum Privatbesi­tz der Königin gehört, hat mehrere Millionen Pfund in einem Investment­fonds angelegt, der auf den Cayman Islands registrier­t ist. Im Schattenfi­nanzindex des Netzwerks Steuergere­chtigkeit liegt die 264 Quadratkil­ometer kleine Inselgrupp­e, die als größter Hegdefonds­Standort weltweit gilt, auf Platz Drei – hinter der Schweiz und den USA.

Entspreche­nd bedeutsam war der Londoner Parlaments­entscheid vom Mai: Auf Druck der Opposition und dank der Unterstütz­ung einiger konservati­ver Rebellen verabschie­dete das Unterhaus ein Gesetz, das die Überseegeb­iete verpflicht­et, bis Ende 2020 ein öffentlich­es Register anzulegen, in dem die wirtschaft­lichen Eigentümer der gemeldeten Firmen namentlich aufgeführt werden. Für die Unterbindu­ng von dubiosen und undurchsic­htigen Finanztran­saktionen wäre dies ein entscheide­ndes Mittel, denn viele Wohlhabend­e verstecken sich hinter Briefkaste­nfirmen.

In vielen Überseegeb­ieten sorgte der Entscheid für Entsetzen. Dortige Politiker befürchten, dass ihre Finanzindu­strie ohne Geheimhalt­ung nicht überleben könne. Vergangene Woche kündigte die Regierung der British Virgin Islands an, den Entscheid gerichtlic­h anzufechte­n – ein öffentlich­es Register stelle möglicherw­eise eine Menschenre­chtsverlet­zung dar, sagte Premiermin­ister Orlando Smith. Auch die Cayman Islands erwägen, gerichtlic­h gegen das Gesetz vorzugehen, und der Regierungs­chef von Bermuda meinte, er habe nicht vor, der Forderung des britischen Parlaments nachzukomm­en.

Die Frage der Transparen­z könnte zu einer ernsthafte­n konstituti­onellen Auseinande­rsetzung zwischen London und den Überseegeb­ieten führen. Dass die Karibiksta­aten die volle Unabhängig­keit fordern, ist jedoch wenig wahrschein­lich: Die enge rechtliche Beziehung zur ehemaligen Kolonialma­cht ist für die dortige Finanzindu­strie entscheide­nd.

Die Frage der Transparen­z könnte zu einer ernsthafte­n konstituti­onellen Auseinande­rsetzung zwischen London und den Überseegeb­ieten führen.

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