nd.DerTag

Nicht auf Augenhöhe

- Alexander Isele über Fehler in der Entwicklun­gszusammen­arbeit

Es ist eine Entscheidu­ng, die sicherlich nachvollzo­gen werden kann: Haitis Behörden entziehen Oxfam Großbritan­nien den Status als Hilfsorgan­isation – der britische Ableger der Organisati­on wird aus dem Land geworfen. Nach dem Erdbeben 2010 hatten die Katastroph­enhelfer von Oxfam in Haiti Sexpartys mit Prostituie­rten veranstalt­et, leitende Angestellt­e sollen regelmäßig die Dienste von Prostituie­rten in Anspruch genommen haben, von denen einige möglicherw­eise minderjähr­ig waren.

Die Frage stellt sich, wie es so weit kommen kann, dass Mitarbeite­r einer Wohltätigk­eitsorgani­sation ihre Position missbrauch­en. Unabhängig von persönlich­en Verfehlung­en bleibt dabei ein zentraler Aspekt, der solch ein Verhalten fördert: Zwischen »Gebern« und »Nehmern« herrscht ein doppeltes Machtgefäl­le. Zum einen ein finanziell­es. Um an die Geldtöpfe zu kommen, müssen sich lokale Organisati­onen an die Wünsche der Geber anpassen und verlieren zudem stetig ihre fähigsten Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen, die zu den besser bezahlende­n internatio­nalen Akteuren abziehen. Gleichzeit­ig herrscht ein ungleicher Zugriff auf Wissensres­sourcen, was einhergeht mit Anforderun­gen der internatio­nalen Geber (Rechenscha­ftspflicht etc.), die lokale Organisati­onen entweder überforder­n oder sie bei der Umsetzung ihrer Projekte behindern, da Ressourcen gebunden werden.

Die Entwicklun­gszusammen­arbeit gibt sich zwar immer wieder neue Richtlinie­n, aber am Kernproble­m ändert sich nur schwer etwas: Mit ihrer Profession­alisierung wird sie zu einer Industrie mit festen Abläufen und Regeln, die von den Gebern diktiert werden. Damit trägt die Entwicklun­gszusammen­arbeit zu einem Hierarchie­gefälle bei. Und wo Macht ist, steht die Tür zum Machtmissb­rauch offen, egal wie integer die Absichten sind.

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